Mobiltelefonie: So fing es an

Geschrieben am 09.12.2022 von

Ein Mobiltelefon bezeichnen wir als Handy, die Amerikaner sagen dazu cellular phone. Der Ausdruck deutet das Prinzip an, die Abdeckung einer Region durch Funkzellen. Die Technik beschrieb zum ersten Mal der amerikanische Elektroingenieur Douglas Ring. Er arbeitete in den Bell-Laboratorien und verfasste vor 75 Jahren ein Memorandum, das man die Geburtsurkunde des Handys nennen könnte.

In zwei Wochen feiern wir den 75. Geburtstag des Transistors. Am 23. Dezember 1947 fand in den amerikanischen Bell-Laboratorien eine interne Vorführung des Bauelements statt. Die Öffentlichkeit erfuhr von ihm im Juni 1948. Es führte zu der Elektronik und den Computern, wie wir sie kennen, denn jeder Mikroprozessor besteht aus winzigen Transistoren.

Am 11. Dezember 1947 wurde in den Bell-Laboratorien ein Dokument herausgebracht, das ebenfalls Folgen für die Technikentwicklung hatte. Es handelte sich um ein Memorandum mit zwanzig Seiten Umfang und dem Titel „Mobile Telefonie – großräumige Abdeckung – Fall 20564“; die letzte Angabe dürfte nur eine Archivnummer gewesen sein. Das Dokument lässt sich hier nachlesen. Sein Verfasser hieß Ring, ein perfekter Name für den Mitarbeiter eines Instituts für Telefonforschung. Merke: In Amerika klingeln Telefone nicht, sie „ringen“.

Hier klingelt’s im Kofferraum: das schwedische Autotelefon MTA aus dem Jahr 1956

Douglas Ring wurde am 28. März 1907 in der Stadt Butte in Montana geboren. Sein Vater war Ingenieur; die Familie wechselte oft den Wohnsitz. Ring studierte Elektrotechnik an der kalifornischen Stanford-Universität; nach dem Abschluss ging er nach New Jersey zu den Bell-Laboratorien. Hier blieb er bis zur Pensionierung im Jahr 1972. Im Zweiten Weltkrieg befasste er sich mit Radar; dafür bekam er später eine Medaille vom Marineministerium. Douglas Ring starb am 8. September 2000. Das ist eine Broschüre seiner Familie, die einige Fotos von ihm enthält.

Seine Schrift vom 11. Dezember 1947 begann mit dem Satz: „In diesem Memorandum wird gefordert, dass ein adäquates Mobilfunksystem jedes damit ausgerüstete Fahrzeug an jedem Ort im Land erreichen muss.“ Douglas Rings System umfasste also keine Handys, sondern Autotelefone ähnlich dem in unserem Eingangsbild. In den USA entstand ab Juni 1946 ein solches Netz; entwickelt hatten es – man kann es sich denken – die Bell Labs. Die monatliche Grundgebühr betrug 15 Dollar, ein Gespräch kostete 30 bis 40 Cent. Die nötige Ausrüstung wog knapp vierzig Kilogramm.

Zellenstruktur eines Mobilfunknetztes – die Grafik stammt aus dem US-Patent 3.906.166 des Handy-Pioniers Martin Cooper.

Ein damals gedrehter Film erläutert die Arbeitsweise. Jedes Telefonat lief auf zwei Wegen. Ein Teilnehmer auf der Straße empfing einen Anruf von einem starken Sendeturm in der nächsten Stadt. Der Sender im Auto schickte die Antworten an eine Empfangsstation; von ihnen gab es etwas mehr als Türme. Die Sende- und Empfangsanlagen wurden über normale Telefonleitungen mit dem terrestrischen Anrufer verbunden. Das System verkraftete jedoch nur wenig Verkehr. In New York mussten sich 2.000 Teilnehmer zwölf Kanäle teilen.

Das System von Douglas Ring funktionierte anders. Der Ingenieur unterteilte eine Region in gleich große und sich überschneidende Kreise, in denen jeweils ein Sender und einer oder mehrere Empfänger standen. Das Muster fand Ring bei seinem Bell-Kollegen Rae Young. Im Memorandum wies er nach, dass bei einem Radius von fünf Meilen eine Empfangsstation pro Kreis genügen würde. Rings Autotelefon hatte zwei Vorteile: Die Sender mussten nicht so stark sein wie die Türme des alten Systems, und in den Kreisen ließen sich Frequenzen mehrfach verwenden. Im Laufe der Zeit wurde aus der Kreis- eine Wabenstruktur.

A-Netz-Ausrüstung von 1963 (Foto Túrelio CC BY-SA 3.0 DE)

Nach Douglas Rings Memo passierte lange wenig beim neuartigen Telefonieren, weil sich die amerikanische Kommunikationsbehörde FCC zurückhielt. Doch im Juli 1978 starteten in Chicago Tests des Advanced Mobile Phone Service oder AMPS. Es stammte aus den Bell-Laboratorien; auch zu ihm existiert ein Video. Der fortschrittliche Mobilfunkdienst war das erste zelluläre Netz und noch ans Auto gebunden Die offizielle Einführung geschah 1983. Im gleichen Jahr kam in den USA das erste Handy in den Handel, das DynaTAC von Motorola.

Details zum AMPS und seiner Geschichte bringt das Bell System Technical Journal vom Januar 1979, Wir schließen mit zwei Beiträgen der Retro-Mediathek zum A-Netz. Die Post führte das nicht-zelluläre, aber mobile Telefonsystem 1958 ein. Dieser Film zeigt Nutzer im verschneiten Schleswig-Holstein von 1960, der nächste Beitrag entstand im Frühjahr 1964 im Saarland. Damals griffen über 2.000 Bundesbürger zum „öffentlichen Landfunkdienst“; ein Drittel waren Binnenschiffer. Eine umfangreiche A-Netz-Fan-Seite gibt es hier.

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Ein Kommentar auf “Mobiltelefonie: So fing es an”

  1. Der Artikel von HNF bietet eine interessante und gut recherchierte Darstellung der Entstehungsgeschichte der Mobiltelefonie. Er verbindet historische Fakten mit technischen Erklärungen und persönlichen Anekdoten

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