Motorola 6800: Geschichte eines Chips

Geschrieben am 08.11.2024 von

Die amerikanische Firma Motorola lieferte im Jahr 1974 Transistoren und integrierte Schaltungen sowie Rundfunk- und Kommunikationstechnik. Im November 1974 brachte sie einen Mikroprozessor für acht Bit heraus, das Modell 6800. Seine Leistungen entsprachen denen des Chips Intel 8080. Der Motorola 6800 wurde nur in wenigen Computern eingesetzt, er führte aber zum erfolgreichen Prozessor MOS 6502.

Die frühen 1970er-Jahre bescherten uns die Mikroprozessoren, integrierte Schaltungen, die die Zentraleinheit eines Computers ersetzten. Als erster Mikroprozessor gilt allgemein der Intel 4004 von 1971; er gehörte noch in die Vier-Bit-Welt. Es folgten 1972 der mit acht Bit operierende Intel 8008 und im April 1974 der Intel 8080.

Im selben Monat stellten drei Mitarbeiter der Firma Motorola ebenfalls einen Acht-Bit-Chip vor. Sie arbeiteten in der Halbleiter-Abteilung in Mesa/Arizona. Ihr Artikel erschien in der Zeitschrift Electronics – bitte bis zu PDF-Seite 90 vorgehen – unter der Überschrift „N-Kanal-MOS-Technik liefert eine neue Generation Mikroprozessoren“. Auf siebeneinhalb Seiten behandelt er eine ganze Chip-Familie namens M6800. Sie umfasste den zentralen Prozessor, zwei Speicherchips und zwei Bausteine für Verbindungen zu anderen Systemen.

Motorola 6800 – die Seitenlänge betrug 29 Millimeter. (Foto Pauli Rautakorpi CC BY 3.0)

Motorola, 1928 als Galvin Manufacturing Corporation im US-Bundesstaat Illinois gegründet, war ein bekannter Name in der Elektronikbranche. Die Firma begann mit Autoradios und dehnte die Produktpalette weiter aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Transistoren und integrierte Schaltungen hinzu; 1973 zeigte Motorola in New York das erste Mobiltelefon für Funkzellen. In jenem Jahr setzte die Abteilung für Halbleiter-Produkte 419 Millionen Dollar um; vor Motorola rangierte nur noch Texas Instruments.

1971 stieg Motorola in den jungen Markt für Mikroprozessoren ein. Die Chefs der Halbleiter-Abteilung dachten an Chips für programmierbare Tischrechner, es stellte sich jedoch heraus, dass die Produktionskapazitäten fehlten. Sie mussten die Fertigung einem Konkurrenten übertragen; hieraus ergab sich später der Prozessor Mostek 5065. Die Entwickler in Arizona unternahmen Ende 1972 einen neuen Anlauf. Im Februar 1974 lagen die ersten Exemplare des Motorola 6800 vor, einen Monat später wurde er offiziell angekündigt und im April – siehe oben – ausführlich beschrieben.

Erhältlich war der Chip im November 1974 zum Preis von 360 Dollar. Er verpasste den Start der Mikrocomputer-Revolution; der Rechner Altair 8800, der sie zur Jahreswende 1974/75 auslöste, enthielt den Intel 8080. Der Motorola 6800 lief aber in Peripheriegeräten und Computerkassen sowie in Spielautomaten und Flippern. Den Prozessor verwendeten auch die Kleinrechner Sphere und SWTPC 6800, das Grafikterminal Tektronix 4051, die Spielkonsole MP 1000 und der elektronische Tischrechner HP 9815A.

Die Motorola-Anzeige von 1976 nannte wichtige Kunden, die den Chip nutzten.

Schon im Lauf des Jahres 1974 verließen Entwickler des Motorola 6800 die Firma, darunter der Ingenieur Chuck Peddle. Er hatte vergeblich versucht, eine überarbeitete und preiswerte Version des Prozessors auf den Weg zu bringen. Peddle und mehrere seiner Kollegen fanden einen neuen Arbeitsplatz bei der MOS Technology Inc. im US-Bundesstaat Pennsylvania. Dort erstellten sie den Chip MOS 6502, der auf dem Motorola 6800 basierte und nur zwanzig Dollar kostete. Er steckte unter anderem im Apple I und Apple II.

Motorola schaffte es nach einiger Zeit, den Preis des Modells 6800 auf 35 Dollar zu drücken. Bis September 1976 verkaufte die Firma 25.000 Stück, danach steigerte ein Großauftrag des Autokonzerns General Motors den Umsatz. Einen Klassiker schuf Motorola aber erst mit dem 68000 für 32 Bit und einem 16 Bit breiten Datenbus. Er trieb in den 1980er-Jahren die Sun-Workstation sowie die Lisa und den Macintosh von Apple an; er operierte außerdem in Amiga- und Atari-Computern und im Sinclair QL.

Bei einem bekannten Rechner kam der Motorola 68000 allerdings zu spät. Für den PC nahm IBM 1981 den Mikroprozessor Intel 8088. Wer noch mehr zum Motorola 6800 wissen will, findet online die Dokumentation und die Oral History der beteiligten Ingenieure. Die Geschichte des Chips schildert ein weiterer Artikel; das ist der erste, das der zweite Teil. Die Firma Motorola teilte sich 2011 in die beiden Unternehmen Motorola Solutions und Motorola Mobility; letzteres ist seit 2014 in chinesischem Besitz.

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Ein Kommentar auf “Motorola 6800: Geschichte eines Chips”

  1. karl jaeger sagt:

    Der 68000 war unser „working horse“ bei Stratus Computer Inc. bis zur Ablösung durch den HP PA Risc in den 90ern. 1988 trat ich in die Firma ein. 1988 durfte ich den Gründer und CEO Bill Foster bei einem Besuch im HQ kennen lernen. Er hatte 1979 die geniale Idee den gerade neu entstandenen 68000 zum zentralen Bestandteil seiner neuen fault tolerant Computer zu machen, die ab 1981 auf den Markt kamen. Mit dem 32-bit Chip konnte man anspruchsvolle Aufgaben lösen, die für PCs zu komplex und waren und für die Grossrechner nicht geeignet waren. Den Befehlssatz des 68000 konnte man gut auf anderen Systemen simulieren und so parallel zur Entwicklung der Hardware das ebenfalls neu Betriebssystem VOS entwicklen. Die Entstehungs-geschichte ist im Detail auf http://www.teamfoster.com/stratus-computer nachzulesen.

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