Von MITS zu Altair

Geschrieben am 29.11.2024 von

Vor fünfzig Jahren berichtete die amerikanische Zeitschrift „Popular Electronics“ über den Altair 8800. Er gilt als Auslöser der Mikrocomputer-Revolution und führte außerdem zum Start von Microsoft. Der Hersteller des Altair, die Firma MITS, saß in der Stadt Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico. Sie wurde im Dezember 1969 gegründet; wir schauten uns einmal ihre Geschichte an.

„Reliance Engineering in Albuquerque, New Mexico, gab die Gründung einer Tochterfirma zur Herstellung von miniaturisierten elektronischen und telemetrischen Systemen für Modellraketen bekannt. Sie heißt Micro Instrumentation and Telemetry Systems (MITS). Der Leiter von Reliance Engineering, Henry Roberts, sagte, dass MITS gegenwärtig ein intensives Forschungsprogramm zu winzigen Telemetrie-Systemen hoher Qualität durchführt.“

Diese Mitteilung stand im Dezember-Heft 1969 der Zeitschrift Model Rocketry – bitte zu PDF-Seite 37 gehen. Das 1968 gestartete Blatt gehörte zur Modellraketen-Gemeinde, die sich in den späten 1950er-Jahren in den USA herausbildete. Ihre Mitglieder schossen Flugkörper ab, die kleine Feststoff-Treibsätze enthielten und manchmal bekannten Großraketen ähnelten. Sie erreichten nur geringe Höhen, konnten aber neben dem meist mitgeführten Fallschirm winzige Nutzlasten tragen, zum Beispiel Sensoren für Flugdaten.

Ed Roberts im Jahr 2002 und Forrest Mims 2006 mit einer Modellrakete (Fotos Spencer Smith und Mark Langford CC BY 3.0 bzw. CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)

Solche und ähnlich Systeme wollte die erwähnte Firma MITS liefern. Den im Text genannten Henry Roberts kennen wir auch unter dem Namen Ed Roberts, den er in den 1970er-Jahren und danach verwendete. Er wurde am 13. September 1941 als Sohn eines Mechanikers in Miami geboren. In der High School baute er schon einen Relaisrechner. Von der US Air Force gefördert studierte Roberts Elektrotechnik; er gründete außerdem den Ein-Mann-Betrieb Reliance Engineering. Ab 1968 arbeitete er auf einem Stützpunkt in Albuquerque, wo er sich mit Lasertechnik befasste.

In Albuquerque traf Roberts den Offizier Forrest Mims. Er interessierte sich für Elektronik und Modellraketen, und beide schufen 1969 die Firma MITS. Der Name ging auf Mims zurück, der ein Wort wie MIT – das Kürzel von Massachusetts Insitute of Technology – suchte. Nach dem erwähnten Telemetrie-System entstand ein Gerät, das Sprache durch Infrarotlicht übertrug. Danach trennten sich die Wege von Mims und Roberts. Forrest Mims wurde ein erfolgreicher Technikautor, Ed Roberts entwickelte in der Firma MITS elektronische Tischrechner.

Blinklicht für eine Modellrakete, hergestellt 1969 von MITS

Den ersten stellte er im November-Heft 1971 des Magazins Popular Electronics vor. Die Überschrift „Ein elektronischer Tischrechner, den Sie selbst bauen können“ bezog sich auf das Do-it-yourself-Modell für 179 Dollar. Ein fertiges Exemplar kostete 275 Dollar. Dafür erhielt man ein 32 Zentimeter langes, 23 Zentimeter breites und 11,5 Zentimeter hohes Gerät mit einem Display von acht Ziffern; ein weiteres Feld zeigte das Vorzeichen an. Die sechs Chips des Rechners erhielt Ed Roberts bei einer Elektronik-Firma.

Im Juni 1972 folgte der MITS 1440 mit vierzehn Ziffern, Wurzel-Funktion und Speicher, im Dezember kam der wissenschaftliche Rechner MITS 7400. Ab Januar 1973 bot Ed Roberts Taschenrechner an; hier sind einige abgebildet. Im März 1973 verbuchte er Einnahmen von 100.000 Dollar pro Monat. Sein Unternehmen bezog in Albuquerque ein größeres Gebäude mit tausend Quadratmeter Fläche, in dem 110 Angestellte in zwei Schichten werkelten. MITS verkaufte jedes Gerät, das sie fertigstellten.

Elektronischer Tischrechner MITS 816, die Serienversion des ersten Geräts der Firma von 1971 (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution)

Anfang 1974 endeten die Erfolge; verantwortlich waren der Preiskrieg im Taschenrechner-Markt und die Ölkrise. MITS hatte 300.000 Dollar Schulden und noch zwanzig Angestellte. Mit einem letzten Bankkredit über 60.000 Dollar packten Ed Roberts und sein Chefingenieur Bill Yates die Konstruktion eines Acht-Bit-Computers an. Die Chipschmiede Intel lieferte für 75 Dollar den Mikroprozessor 8080. Im Oktober lag ein Prototyp des Altair 8800 vor, der gleich verlorenging, als Ed Roberts ihn an die Zeitschrift „Popular Electronics“ schickte.

Das Magazin improvisierte eine Vorderansicht und räumte Robert und Yates sechs Seiten für eine Produktvorstellung ein („The most powerful minicomputer project ever presented – can be built for under $400“). Sie erschien im Januar-Heft 1975, das Anfang Dezember 1974 am Kiosk erhältlich war. Die Zeitschrift nannte den Altair 8800 einen Minicomputer, versetzte ihn also in die Liga von größeren und weit teureren Rechnern von etablierten Herstellern wie Digital Equipment oder Data General.

MITS 1440 von 1972  (Foto Computer History Museum)

Den Altair 8800, wie wir ihn kennen, zeigen unser Eingangsbild oben und eine Anzeige aus dem Februar-Heft 1975 von „Popular Computing“. Hersteller MITS wurde von Bestellungen überschwemmt, die er mit Mühe bewältigte; er startete auf jeden Fall das Zeitalter der Mikrocomputer. Der Altair ermöglichte ebenso die Gründung der Firma Micro-Soft – so schrieb sie sich im April 1975 – in der Nachbarschaft. Sie lieferte für den Rechner die Programmiersprache BASIC. Erst Anfang 1979 kehrten die zwei Gründer Bill Gates und Paul Allen ins heimatliche Seattle zurück.

In der Bundesrepublik war der Altair im März 1976 erhältlich. In jenem Jahr setzte MITS mit 230 Angestellten sechs Millionen Dollar um. 1977 verkaufte Ed Roberts das Unternehmen an die kalifornische Firma Pertec, einen Hersteller von Peripheriegeräten, und bezog eine Farm im US-Bundesstaat Georgia. In den 1980er-Jahren verwirklichte er einen alten Traum und studierte Medizin. 1988 eröffnete er eine Arztpraxis in der Kleinstadt Cochran. Dort starb er am 1. April 2010. Schon 1980 wurde Pertec von der Triumph-Adler GmbH übernommen und der Altair 8800 im Nachhinein  zu einem deutschen Erzeugnis.

Die 1200-Familie von MITS erschien 1973. Sie umfasste auch Taschenrechner.

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Ein Kommentar auf “Von MITS zu Altair”

  1. Ulrich Klotz sagt:

    Unsere alte Diskussion hatte offenbar Folgen
    Eine Frage bleibt: Darf man Bausätze bzw pure Hardware als „Computer“ bezeichnen?
    Ein Buch ohne Text ist kein Buch, sondern Papier.
    Immerhin hatte mein MCS-40 schon ein kleines OS , war also ein MicroComputer
    Bald auch 50. Geb.

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