Der Weg zu BASIC

Geschrieben am 30.04.2024 von

Die Programmiersprache BASIC begleitete in den 1970er- und 1980er-Jahren den Siegeszug der Mikrocomputer. Das erste Programm lief aber am 1. Mai 1964 auf einem Großrechner im Dartmouth College, das im US-Bundesstaat New Hampshire liegt. Die Erfinder der Sprache waren die Mathematiker John Kemeny und Thomas Kurtz. Später verwendete auch Nixdorf auf seinen Geräten eine BASIC-Version.

Das Städtchen Hanover liegt im Nordosten der USA im Bundesstaat New Hampshire. Seine Attraktion ist die Hochschule: Mit dem Gründungsjahr 1769 gehört das Dartmouth College zur „Efeu-Liga“ der amerikanischen Universitäten. Es konzentriert sich auf die Ausbildung bis zum ersten Studienabschluss und bietet ein breites Spektrum von Fächern an.

In den 1950er-Jahren engagierte das College eine Spitzenkraft für Mathematik: John Kemeny. Geboren wurde er als Kemény János am 31. Mai 1926 in Budapest. 1940 emigrierte er mit der Familie nach New York. Hier lernte er in Rekordzeit Englisch und schloss die High School als Klassenbester ab. Von 1943 bis 1949 studierte John Kemeny Mathematik an der Universität Princeton, unterbrochen von einem Jahr Tätigkeit für das US-Atombombenprojekt in Los Alamos. Er sprach Deutsch; 1948/49 war er Assistent von Albert Einstein. Kemeny erhielt eine Dozentenstelle in Princeton, 1954 wechselte er aber nach Dartmouth.

Als Professor und Chef der Mathematik-Abteilung reorganisierte Kemeny den Fachbereich. Zu den Neuzugängen, die er ans College holte, zählte der Statistik-Spezialist Thomas Kurtz. Geboren am 22. Februar 1928 in der Nähe von Chicago, studierte er Mathematik in seinem Heimatstaat Illinois und ebenfalls in Princeton. Ab 1956 lehrte Kurtz in Dartmouth; er interessierte sich wie John Kemeny für Computer. In jenem Jahr fand im College auch die Tagung statt, bei der die Künstliche Intelligenz kreiert wurde, einen Elektronenrechner gab es aber noch nicht.

John Kemeny mit seinem passend beschilderten Ford Thunderbird  (Foto Dartmouth College)

John Kemeny und Thomas Kurtz lernten eine Assembler-Sprache und stanzten Programme in Lochkarten, die Kurtz per Bahn zum MIT in der Nähe von Boston brachte; dort stand eine IBM 704. Zwei Wochen später holte er die ausgedruckten Resultate ab. Etwas Erleichterung brachte 1957 die Nutzung von FORTRAN. Im Juni 1959 schaffte das College einen eigenen Computer an, einen kleinen Röhrenrechner vom Typ LGP-30. Für ihn schufen Kemeny und Kurtz zusammen mit Studenten drei leicht verständliche und wenig Speicherplatz füllende Programmiersprachen.

Danach realisierten die beiden ein neues Konzept: ein großer und einfach zu bedienender Computer für den Time-Sharing-Betrieb. Dabei wurde der Rechner mit mehreren Terminals verknüpft, denen er sich reihum widmete; in den frühen 1960er-Jahren waren das meistens Teletype-Fernschreiber. Im Sommer 1963 entwarf Kemeny eine neue Programmiersprache und den Compiler. Diese Software übersetzte ein Programm in die Maschinensprache, die der Computer verstand. Im Herbst erstellten zwei Studenten dafür das Betriebssystem.

Die nötige Hardware war eine GE-225 von General Electric. Das Dartmouth-Team arbeitete zunächst an einer Anlage in der Region, im Februar 1964 traf der Computer für das College ein. Er wurde mit einem Netzrechner des Typs Datanet-30, einem Plattenlaufwerk und drei Terminals verbunden. Das System erhielt den Namen Dartmouth Time-Sharing System, kurz DTSS. Zum Programmieren diente – man kann es sich denken – die von Kemeny entwickelte Sprache; sie hieß BASIC alias Beginners‘ All-purpose Symbolic Instruction Code. Was man mit Allzweck-Befehlscode für Anfänger übersetzen kann.

Thomas Kurtz vor einem General-Electric-Rechner (Foto Dartmouth College)

Das erste BASIC-Programm lief am 1. Mai 1964 um vier Uhr morgens. Angeblich wurde es von Kemeny und einem Studenten parallel auf zwei Teletypes eingegeben: „10 LET X = (7+8)/3 20 PRINT X  30 END“ Nach anderen Quellen soll es die Addition 2+2 gewesen sein. Das Time-Sharing-System funktionierte jedenfalls und tat, was es tun sollte. Die Sprache enthielt zwölf Instruktionen und fünf mathematische Befehle. Sie arbeitete noch mit einem Compiler, in späteren BASIC-Versionen führte der Computer die Kommandos direkt aus.

Im Sommer 1964 folgte auf die GE-225 die leistungsstärkere GE-235; im Herbst bot das College seinen Studenten zwanzig Terminals an. Ende 1966 weihte es ein Rechenzentrum mit einem General-Electric-Computer GE-635 ein; die Leitung übernahm Thomas Kurtz. 1971 waren zwanzig Colleges und dreißig High Schools angeschlossen. 1976 löste ein Honeywell-Computer die GE-635 ab; am Silvesterabend 1999 schloss das Rechenzentrum. Kurtz ging schon 1993 in Pension; im Februar feierte er seinen 96. Geburtstag.

John Kemeny wurde 1970 Präsident des Dartmouth College und amtierte bis 1981. Zu seinen größten Taten gehörte 1972 die Öffnung der Hochschule für Studentinnen; 1979 saß er einer Kommission vor, die den Störfall im Kernkraftwerk Harrisburg untersuchte. Kemeny starb am 26. Dezember 1992; diese Seite erinnert an ihn und sein Wirken. Wer sich im Internet Archive anmeldet, kann einen Blick in das BASIC-Buch werfen, das er 1967 mit Thomas Kurtz verfasste. Lesenswert ist auch sein Aufsatz aus dem Jahr 1961, der computergestützte Bibliotheken der Zukunft beschrieb; er beginnt auf Seite 134 der Quelle.

Ausschnitt aus einem BASIC-Programm für den Commodore C64

Kemeny und Kurtz führten BASIC für Großrechner und für das Time-Sharing ein. In den frühen 1970er-Jahren eroberte die Sprache die Welt der Minicomputer; 1973 brachte der Hersteller Digital Equipment ein Buch mit BASIC-Spielen heraus. 1975 schrieben zwei Computerfreaks in Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico eine Version für Acht-Bit-Rechner. Das Altair BASIC von Bill Gates und Paul Allen war das erste Produkt der Firma Micro-Soft, die damals noch einen Bindestrich besaß. Unser Eingangsbild zeigt einen Lochstreifen mit der Sprache (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution).

Auf diese Weise wurde BASIC zu einem Standard für Mikrocomputer, wobei sich die Sprache schnell in Hardware-spezifische Dialekte aufteilte. Auch die Firma Nixdorf setzte ab 1975 auf ihren Anlagen eine Variante ein; damit konnte ein Rechner mehrere Bildschirmarbeitsplätze ansteuern. Das Business Basic stammte nicht aus Paderborn, sondern wurde in den USA erworben. In den 1990er-Jahren ging die Bedeutung von BASIC zurück, doch beeinflusste die Sprache noch das klassische Visual Basic von Microsoft.

Wer heute Lust auf Programmieren verspürt, kann das Chipmunk Basic herunterladen und loslegen. Im Internet gibt es außerdem die BASIC Anywhere Maschine und die erwähnten BASIC-Spiele. Zum Schluss bedanken wir uns bei Olde Hansen (Berlin) für die Unterstützung unserer Recherchen und empfehlen allen BASIC-Freunden sein Buch über die Sprache: „Von BASIC zur IT-Crowd – Eine kleine Geschichte des Programmierens in Deutschland“

Ein Business-Basic-Buch aus den 1980er-Jahren – Autor Karl Bolle betrieb damals eine Computer-Schule in Wiesbaden.

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2 Kommentare auf “Der Weg zu BASIC”

  1. Stu Savory sagt:

    Anfang der 70er Jahre hatte ich ein Wang 2000 mit der Basic Interpreter fest verdrahtet in der HW. Wie schnell der überholt wurde!!!

  2. Karl sagt:

    1979 war es so weit und das Weihnachtsgeld vom Forschungsinstitut wurde in einen NEC PC 8801 mit Zilog Prozessor investiert. Den musste ich extra aus Tokio besorgen. Der Bindestrich aus dem Microsoft Titel für den integrierten Basic Interpreter war verschwunden. Version 1.1. Im Wissenschaftsjahr KI 2019 durfte ich den PC auf der MS Wissenschaft ausstellen. Zehntausende von Schülern hackten darauf herum und nach 6 Monaten lief er wie am ersten Tag. Was man nicht von allen Exponaten behaupten konnte.

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