Computer aus Israel

Geschrieben am 12.05.2023 von

Vor 75 Jahren erfolgte die Gründung des Staates Israel. Heute ist das Land ein Zentrum der Hochtechnologie. 1955 lief dort der erste Elektronenrechner, 1965 kam der erste Computer mit Transistoren. Ab 1967 entstand der Minicomputer Elbit 100. Sein Hersteller baute in den 1980er-Jahren auch größere Rechner; die Firma Nixdorf bot sie als Modellreihe 8890 an.

Am 14. Mai 1948 verkündete der Jüdische Nationalrat in Tel Aviv, geleitet von David Ben Gurion, die Unabhängigkeit Israels. In den folgenden Jahrzehnten behauptete sich der junge Staat in mehreren Kriegen gegen seine arabischen Nachbarn. Zugleich baute er eine stabile Wirtschaft und Industrie auf. Im Laufe der Zeit nahm der Anteil fortgeschrittener Technologien immer weiter zu. Heute ist Israel eine High-Tech-Nation.

Der erste Computer Israels wurzelte in Amerika. Der WEIZAC arbeitete 1955 im Weizmann-Institut südlich von Tel Aviv; er basierte auf der IAS-Maschine, die John von Neumann im Institute for Advanced Study in Princeton konstruierte. WEIZAC-Chefentwickler Gerald Estrin war dort ebenfalls tätig; er ging dann für anderthalb Jahre nach Israel. Nach Fertigstellung des Rechners kehrte er in die USA zurück und übernahm eine Informatik-Professur in Los Angeles. Sein WEIZAC wurde 2006 vom US-Ingenieurverband IEEE als Meilenstein der IT-Entwicklung gewürdigt.

Der nächste Computer lief 1963 im nordisraelischen Haifa. Sein Schöpfer Meir Lehman kam 1925 in Deutschland zur Welt, 1930 emigierte die Familie nach England. Lehman arbeitete zunächst in einer Radiofabrik, konnte dann aber am Londoner Imperial College studieren. 1956 stellte ihn die Elektronikfirma Ferranti ein, ab 1958 entwickelte er für das israelische Verteidigungsministerium den Transistorcomputer SABRAC. Er besaß einen Trommel- und einen kleinen Kernspeicher und rechnete mit 36-Bit-Worten. Meir Lehman wurde später Professor am oben erwähnten College; er starb 2010 in Jerusalem.

Meir „Manny“ Lehman am SABRAC (Foto Yochail1 CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)

Der dritte israelische Computer entstand wieder im Weizmann-Institut. Zehn Jahre nach dem WEIZAC wurde Golem Aleph eingeweiht, was man mit Golem A übersetzen kann. Der Transistorrechner übernahm technische Konzepte des amerikanischen ILLIAC II. Erhalten ist ein Vortrag des Religionswissenschaftlers Gershom Scholem vom 17. Juni 1965; er verglich den Computer mit dem Golem der jüdischen Mystik. In den 1970er-Jahren kam ein weiterer Golem-Rechner hinzu; wir finden ein Foto in einem Artikel von 2018, bitte etwas scrollen.

1967 erschien der Minicomputer Elbit 100, der erste in Serie gefertigte Elektronenrechner aus Israel. Die Elbit Computers Ltd. wurde 1966 in Haifa gegründet, dahinter standen das Verteidigungsministerium und die 1962 gestartete Elektronikfirma Elron. Der Elbit 100 maß 42 mal 22 mal 53 Zentimeter, zudem gab es ihn als 19-Zoll-Einschub. Sein Arbeitsspeicher fasste 1.024, 2.048 oder 4.096 Zwölf-Bit-Worte, eine Addition dauerte 7,2 Mikrosekunden. Der Hersteller warb mit dem Spruch „Ein 4900-Dollar-Computer für Leute, die dachten, sie könnten sich keinen Computer leisten“.

Vor fünfzig Jahren erstellte das US-Handelsministerium eine Analyse des israelischen Computermarkts. Demnach wurde 1972 Hardware im Wert von zehn Millionen Dollar installiert. Mehr als 86 Prozent davon machten Importe aus, vor allem aus den USA und von IBM. Insgesamt liefen im Heiligen Land 293 Elektronenrechner aller Größen. Das folgende Zitat müssen wir wohl nicht übersetzen: „Minicomputers produced locally by Elbit are very popular with Israeli users, as are those produced by Nixdorf of Germany and Philips of Holland.“ (Seite 60)

Ein Mitarbeiter der Firma Elbit 1980 bei der Fertigung eines Anat-Computers. (Foto Sa’ar Ya’akov The National Photo Collection)

Der Paderborner Hersteller hatte auch einen direkten Draht zur Firma Elbit. 1980 brachte die Nixdorf Computer AG (NCAG) die Modelle 30 und 50 der Serie Nixdorf 8890 heraus, 1981 folgte das Modell 70. Sie waren deutsche Ausgaben von Elbit-Rechnern und nutzten Mikroprozessoren für 32 Bit. Bei der Leistung lagen sie an der Spitze der Nixdorf-Palette und konkurrierten mit dem System IBM 4331, dem Nachfolger der IBM 360 und 370. Die Nixdorf-Computer waren kompatibel zu denen der IBM, doch billiger. Nach dem kurzen Joint Venture mit AEG-Telefunken wagte sich die NCAG mit ihnen zum zweiten Mal in die Mainframe-Welt.

1986 wurde die 8890-Familie durch Hardware aus Japan erweitert, drei Jahre später zog sich Nixdorf aus der oberen Computerklasse zurück. Auch Elbit gab die Rechnerherstellung auf. Heute beherbergt Israel bedeutende Zweigstellen von amerikanischen IT-Firmen. Intel eröffnete 1974 ein kleines Labor in Haifa; der Leiter war Dov Frohman, der Erfinder des EPROM. Später entwickelte Intel Israel unter anderem den Mikroprozessor Intel 8088. Zur Zeit beschäftigt das Unternehmen rund 14.000 Menschen an fünf Standorten. Es ist gerade dabei, die größte israelische Chipschmiede Tower Semiconductor zu übernehmen.

Zum 50. Geburtstag des Staates Israel erschien ein informativer Artikel über den High-Tech-Sektor des Landes. Er nannte vier Gründe für seine Erfolge: der weltweit höchste Anteil an Wissenschaftlern und Technikern an der Bevölkerung, die Einwanderung qualifizierter Kräfte aus der früheren Sowjetunion, die Umwandlung von militärischen in zivile Produkte und last but not least Start-up-Firmen. Seit 1998 hat sich die Informationstechnik verändert; weitere Herausforderungen bringen die Lage im Nahen Osten und die israelische Innenpolitik.

Eine Nixdorf-8890-Anlage, die Paderborner Version des Anat-Systems

Zum Schluss möchten wir auf die vier israelischen Gewinner des Turing Award hinweisen: Judea Pearl, Amir Pnueli, Michael Rabin und Adi Shamir. Letzterer gehörte zu dem Trio, das 1977 die RSA-Verschlüsselung erfand, Rabin wurde 1931 in Breslau geboren und wuchs im britische Mandatsgebiet Palästina auf. Unser Eingangsbild zeigt den Eingang des 1925 eröffneten Technion, der Technischen Hochschule in Haifa (Foto zeevveez CC BY 2.0 seitlich beschnitten). Der Grundstein des Gebäudes wurde 1912 gelegt. Seit 1986 sitzt darin das israelische Museum für Wissenschaft, Technik und Weltraum, kurz Madatech.

Tags: , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

2 Kommentare auf “Computer aus Israel”

  1. Spannend! Weiß man mehr dazu, wie es zu den Kontakten zwischen Nixdorf und der israelischen Firma gekommen ist? Die Verkaufszahlen waren wohl nicht sonderlich gut, wenn das Projekt so schnell wieder eingestellt wurde?

    1. HNF sagt:

      Nixdorf hatte zu allen wesentlichen Computerherstellern der Zeit Kontakt u.a. zu Control Data, die mit 37 Prozent an Elbit beteiligt waren. Ob aber der Kontakt tatsächlich über CDC erfolgte, wissen wir nicht. Der Umsatz der 8890 stieg Mitte der 1980er-Jahre auf mehr als 100 Mio. DM, war damit aber geringer als bei anderen Baureihen wie der 8870.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.