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Das Tal der Technikträume

Geschrieben am 03.10.2025 von

„Silicon Valley“ heißt auf Deutsch Siliziumtal. Der Ausdruck erschien 1970 zum ersten Mal in Druck und bezeichnet eine Region südöstlich von San Francisco. Ab den 1950er-Jahren entwickelte sie sich zu einem Weltzentrum der Hochtechnologie. Diese basiert vor allem auf den Siliziumchips. Im Tal sitzen Hersteller von Mikroprozessoren und von Computern sowie Software-, Internet- und Risikokapital-Firmen.

Der SPIEGEL setzte das „Silicon Valley“ 1977 in Gänsefüßchen. Inzwischen ist es ein fester Begriff; geografisch meint er die Orte von Menlo Park bis San José entlang der kalifornischen State Road 82. Unser Eingangsbild zeigt das nordwestliche Ende der Region: Wir blicken auf Stanford und Palo Alto und die Südspitze der San Francisco Bay. Vorne verläuft die Interstate 280 nach Cupertino und San José. Das Siliziumtal ist rund 35 Kilometer lang.

Der Ausdruck erfasst auch im Tal sitzende High-Tech-Hersteller und mit ihnen verknüpfte Firmen. Alle haben direkt oder indirekt mit Mikrochips zu tun, die aus Silizium-Einkristallen bestehen, und Silizium heißt auf Englisch „Silicon“. Als erste Silicon-Valley-Niederlassung gilt allgemein die 1939 in Palo Alto gegründete Hewlett-Packard Company, wir erzählten ihre Geschichte im Blog. Damals gab es weder Siliziumchips noch das Siliziumtal, was aber niemanden störte. Auf die Herkunft des Namens gehen wir gleich näher ein.

Übersicht des Silicon Valley (Foto Nathan Hughes Hamilton CC BY 2.0 seitlich beschnitten)

Der nächste Silicon-Valley-Zugang hieß IBM. 1943 eröffnete das Unternehmen in San José eine Lochkarten-Fabrik, 1952 folgte eine Entwicklungsstätte für Computer-Hardware und danach eine Fertigung. Der Plattenspeicher RAMAC war das erste Erzeugnis, das ist eine Firmengeschichte bis 1977. Schon 1948 starteten die Brüder Russell and Sigurd Varian einen Betrieb nördlich des späteren Silicon Valley; er stellte Klystron-Röhren her. 1953 zog er nach Palo Alto in den Stanford-Forschungspark. Mit ihm lockte die gleichnamige Universität Start-ups und etablierte Technik-Lieferanten an.

Im Februar 1956 begann eine Firma mit der Arbeit, die konkret mit Silizium hantierte. Das Shockley Semiconductor Laboratory saß in Mountain View; es war formell eine Abteilung des Messgeräte-Herstellers Beckman. Der Leiter des Halbleiter-Labors, der Physiker William Shockley, zählte zu den Vätern des Transistors; er träumte von neuartigen Silizium-Dioden aus vier Schichten. Leider zerstritt er sich gleich mit acht Untergebenen. Sie verließen ihn und gründeten im September 1957 ein eigenes Unternehmen im nahen Palo Alto.

Finanziert wurde es vom Kamerabauer Fairchild aus dem US-Bundesstaat New York. In der Fairchild Semiconductor Corporation wirkten Forscher wie Gordon Moore, Robert Noyce oder Jean Hoerni; sie erfanden wegweisende Verfahren und Produkte und legten die Grundlagen der digitalen Mikroelektronik. Die acht Gründer blieben aber nicht lange zusammen; in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren entstanden in der Region weitere Halbleiter-Firmen, die als „Fairchildren“ bekannt wurden. Das Bindeglied war der Einsatz der Silizium-Technik.

Das Shockley-Halbleiter-Labor in den 1950er-Jahren. Das Gebäude wurde 2015 abgerissen. (Foto Computer History Museum)

Am 11. Januar 1971 brachte die Wochenzeitung „Electronic News“ die erste Folge einer dreiteiligen Serie des Redakteurs Don Hoefler. Sie trug den Titel Silicon Valley U.S.A. und behandelte die Genese der kalifornischen Halbleiter-Branche ab 1955. Die Zeitung erschien in New York, doch Hoefler hatte seinen Schreibtisch in San Francisco und kannte sich aus. Den Ausdruck schnappte er wahrscheinlich irgendwo auf, denn wir finden ihn schon Anfang Dezember 1970 im Fachmagazin Electronic Design auf Seite 21.

Damit war das Siliziumtal jedenfalls in die Welt gesetzt. Don Hoeflers Artikel sind eine exzellente Einführung in seine frühe Geschichte; sie enden mit einer Ahnentafel, die mit Shockley und Fairchild beginnt und danach die Abspaltungen und Neugründungen nennt. 1971 machte Hoefler 23 Firmen aus, darunter Intel und seinen Erzrivalen AMD. Ein zweiter Stammbaum reicht bis 1976 – bitte das Bild im neuen Tab öffnen und vergrößern. In den 1970er-Jahren meinte „Silicon Valley“ in der Regel Halbleiter- und Chip-Hersteller, in den Achtzigern schloss der Ausdruck auch Hardware- und Softwarefirmen ein.

Der bekannteste Namen sind sicher Apple und Adobe. Amdahl, Atari, Silicon Graphics und Sun Microsystems verschwanden, der Datenbankriese Oracle zog nach Texas um. Am Ende des 20. Jahrhunderts führte das Internet zu eBay und Google, im 21. Jahrhundert erschien Facebook. Dazu kamen Risikokapital-Firmen. Ein Pionier der Branche, Arthur Rock, startete 1961 in San Francisco, später ließen sich die Geldgeber an der Sand Hill Road nieder. Im Eingangsbild ist das die Straße, die vorne über die Brücken und weiter nach Osten führt.

Die Zentrale der Firma Apple (Foto Arne Müseler/www.arne-mueseler.com CC BY-SA 3.0 DE seitlich beschnitten)

Vergessen wollen wir nicht die Stanford-Universität und die beiden Forschungsinstitute SRI International und Xerox PARC. Im SRI erfand Douglas Engelbart die amerikanische Ausgabe der Computermaus, 1969 empfing es die erste Nachricht des ARPANET. Das PARC bescherte uns unter anderem den Laserdrucker, die objektorientierte Programmierung, das lokale Netzwerk und die grafische Benutzeroberfläche. Die Silicon-Valley-Firma Nvidia besitzt gegenwärtig den größten Börsenwert an der Wall Street, mehr als vier Billionen Dollar. In den USA sind es sogar Trillionen. Platz zwei belegt Microsoft aus dem Raum Seattle.

In den 1980er-Jahren träumten Politiker und Stadtväter von deutschen Siliziumtälern, das war ein SPIEGEL-Artikel dazu von 1984. Im Jahr 1989 entstand ein längerer Film – bitte den YouTube-Link anklicken – über das echte Silicon Valley und seine Bewohner mit deutschem Ton. 2014 strahlte das ZDF eine Dokumentation zu seiner Geschichte aus, hier geht es zum ersten und hier zum zweiten Teil. Auch der WDR erstellte 2017 einen Bericht, der mehr die Computer betrachtete. Nächste Woche eröffnet das HNF seine Silicon-Valley-Abteilung in komplett überarbeiteter Form neu; bis dahin werden wir im Blog noch zweimal auf Retro-Computer eingehen. Bleiben Sie dran!

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