
Der Satellit aus dem Silicon Valley
Geschrieben am 14.10.2025 von HNF
Am 4. Oktober 1960, drei Jahre nach dem Start des Sputnik, brachte eine amerikanische Thor-Rakete Courier 1B auf eine Bahn um die Erde. Er war der erste eigenständige Satellit, der Texte und Bilder empfangen, speichern und versenden konnte. Schon im Dezember 1958 erfüllte eine Atlas-Rakete ganz ähnliche Zwecke im Rahmen des Projekts SCORE der US-Armee.
„Hier spricht der Präsident der Vereinigten Staaten. Durch die Wunder des technischen Fortschritts hören Sie meine Stimme von einem im Weltraum kreisenden Satelliten. Meine Botschaft ist einfach: Durch diese einzigartige Methode übermittle ich Ihnen und der ganzen Menschheit Amerikas Wunsch nach Frieden auf Erden und seinen guten Willen gegenüber allen Menschen.“
Es ist noch zu früh für Weihnachtsgrüße, doch wir wollten das Statement von US-Präsident Dwight D. Eisenhower vom 19. Dezember 1958 in voller Länge wiedergeben. Es war die erste Sprachnachricht, die aus dem Kosmos die Erde erreichte. Wer einen leistungsfähigen UKW-Empfänger besaß, nicht in den Polarregionen wohnte und die Frequenz 132,435 Megahertz einstellte, vernahm etwas verrauscht die Worte des Staatsmanns. Das ist eine Aufzeichnung aus dem Rundfunk – die Botschaft setzt bei Minute 0:35 ein – und das eine Transkription.

Die Atlas B mit der SCORE-Nutzlast vor dem Start in Cap Canaveral. Das Gerät sitzt in der schmalen Gondel am Rumpf der Rakete.
Mit Eisenhowers Ansprache begann die Ära der Nachrichtensatelliten. Das gilt trotz der Tatsache, dass sie eigentlich nicht von einem Satelliten, sondern aus einer Rakete kam, einer Atlas B. Sie flog am Abend des 18. Dezembers 1958 vom Startplatz Cape Canaveral los, wie in der Wochenschau gezeigt. Die 24 Meter lange Hauptstufe erreichte nach viereinhalb Minuten eine Bahn, die sie in Höhen zwischen 185 und 1.484 Kilometern um die Erde führte. Sie kreiste dort einen Monat lang und verglühte am 21. Januar 1959 in der Atmosphäre.
An der Seite der Rakete saß die Nutzlast; sie umfasste neben der Batterie einen Sender, einen Empfänger und ein Tonbandgerät und wog 68 Kilogramm. Die Anlage kam aus dem Labor der Fernmelde-Abteilung der US-Armee in Fort Monmouth im US-Bundesstaat New Jersey; der Name SCORE stand für Signal Communications by Orbiting Relay Equipment, zu Deutsch Signalübertragung durch Relais in der Erdumlaufbahn. Finanziert wurde das Projekt von der ARPA, der Forschungsagentur des Pentagon. Es war zunächst streng geheim – man wollte sich wohl bei einem Unglück nicht blamieren.

SCORE war 74 cm lang – die Trommel rechts enthält das Bandgerät. Bitte zum Vergrößern auf das Bild klicken. (Foto National Air and Space Museum, Smithsonian Institution)
Dieses Schicksal erlitt am 18. August 1960 der Armee-Satellit Courier 1A; seine Thor-Rakete explodierte zweieinhalb Minuten nach dem Start. Besser erging es dem baugleichen Courier 1B. Er erreichte am 4. Oktober 1960 einen Orbit in 938 bis 1.237 Kilometern Höhe, das ist die Wochenschau. Der 225 Kilo schwere und 130 Zentimeter breite Trabant war der erste echte Nachrichtensatellit, denn er flog frei im All. Geliefert wurde er von der Firma Philco in Palo Alto im heutigen Silicon Valley. Unser Eingangsbild zeigt das Ingenieurmodell (Foto National Air and Space Museum, Smithsonian Institution).
Courier 1B erledigte ähnliche Aufgaben wie SCORE, er war nur viel leistungsfähiger. Er hatte vier Empfänger im 1,8-Gigahertz-Band und fünf Sender im Frequenzbereich von 1,7 bis 1,8 Gigahertz an Bord, dazu vier digitale Magnetbandgeräte und ein analoges. Jedes konnte vier Minuten lang Texte oder Bilder aufnehmen und wiedergeben. Auf dem Satelliten saßen 19.200 kleine Solarzellen, die Nickel-Cadmium-Batterien versorgten. Die Nutzung solcher Zellen ging auf den deutschen Ingenieur Hans Ziegler zurück, der ab 1947 für die US Army arbeitete. Hier ist eines der wenigen öffentlichen Fotos, die von ihm existieren.
Der Trabant sollte hauptsächlich das Teilstreckenverfahren testen, auch bekannt als Store and Forward. Dabei wurden Informationen hochgeschickt, auf Band gespeichert und später zurück zur Erde gebeamt. Der Courier übertrug aber ebenso Daten von einer Bodenstation an eine zweite. Auf diesem Weg gelangte kurz nach dem Start ein Fernschreiben von Präsident Eisenhower an die Vollversammlung der Vereinten Nationen. Leider stellte der Satellite nach siebzehn Tagen den Dienst ein, wahrscheinlich infolge eines Software-Fehlers. Der Anfang in der Satellitenkommunikation war jedoch gemacht.
In unserem Blog erzählten wir bereits vom ersten TV-Satelliten Telstar 1, der 1962 um die Erde kreiste. Im Sommer 1964 erreichte Syncom 3 seine geostationäre Position über dem Pazifik und übertrug Filme der olympischen Spiele von Japan nach Amerika. Im Frühjahr 1965 schwebte Intelsat I über dem Atlantik, und am 25. Juni 1967 strahlten die BBC und dreizehn weitere Rundfunkanstalten die satellitengestützte Live-Sendung Our World aus. Ein Tipp: Den Beatles-Teil gibt es hier noch einmal, und nach 30 Sekunden wird er farbig.