Software 1968

Geschrieben am 09.10.2018 von

Einen legendären Ruf genießt seit fünfzig Jahren die Software-Konferenz von Garmisch-Partenkirchen. Initiator war der Münchner Computerpionier Friedrich Bauer, finanziert wurde sie von der NATO. Sechzig Experten aus elf Ländern trafen sich in einem Hotel und diskutierten fünf Tage lang die Probleme des Programmierens. Die Garmischer Konferenz machte das Software Engineering populär und ebenso die Softwarekrise.

Völlig korrekt kann man den Ausdruck nicht übersetzen. Softwareentwicklung und Softwaretechnik treffen ihn ungefähr, aber eben nur ungefähr. Das systematische Arbeiten und die Ingenieurleistung, die im Software Engineering stecken, gehen in der deutschen Sprache verloren. Deshalb werden wir im folgenden Text die beiden englischen Worte verwenden und nicht die heimischen Äquivalente.

Zum ersten Mal erschien unser Ausdruck im Juni 1965 im Fachjournal Computers and Automation auf Seite 44. Die Abacus Information Management Company erstellte Betriebssysteme und bot „systems software engineering“ an. 1966 finden wir ihn in der Zeitschrift der Association for Computing Machinery, des Verbandes der amerikanischen Informatiker. 1968 diente Software Engineering als Titel einer Konferenz, nicht in den USA, sondern im bayerischen Alpenort Garmisch-Partenkirchen.

Friedrich Bauer im Jahr 2004. (Foto Technische Universität München)

Ihr Initiator war Friedrich L. Bauer, Mathematikprofessor der Technischen Hochschule München. Er hatte am Bau des Röhrenrechners PERM mitgewirkt und war einer der Erfinder des Kellerspeichers, einer wichtigen Datenstruktur. Bauer wirkte auch bei der Entwicklung der Programmiersprache ALGOL mit. Außerdem besaß er gute Kontakte zur NATO und zu ihrem Wissenschaftsausschuss. Dieser finanzierte seit 1967 mittelgroße Tagungen über vielversprechende Themen. Die erste fand in Norwegen zur Materialforschung statt.

Die zweite war „Software Engineering“ in Garmisch. Im Golfhotel Sonnenbichl (heute heißt es Grand Hotel) kamen vom 7. bis 11. Oktober 1968 sechzig Computerfachleute zusammen. Den Eröffnungsvortrag hielt der Amerikaner Alan Perlis; er hatte 1966 den ersten Turing-Preis erhalten. Unter den Zuhörern befanden sich die Software-Pioniere Peter Naur aus Dänemark und der Holländer Edsger Dijkstra. Letzterer wurde 1972 mit dem Preis ausgezeichnet; Peter Naur gewann ihn 2005.

Insgesamt versammelte die Tagung Wissenschaftler und wissenschaftliche Beobachter aus elf Nationen. Wie es scheint, trugen nur die beiden Griechen, Kapitän Pavlidis und Major Tsiftsis, eine Uniform. Einen zivilen Angestellten schickte das NATO-Hauptquartier Brüssel. Sechs Forscher arbeiteten an verschiedenen IBM-Standorten. Fünf deutsche Teilnehmer reisten aus München an, zwei aus Konstanz, je einer aus Böblingen und Bad Godesberg. Friedrich Bauer war halt Bayer.

Das Software-Hotel von Garmisch. (Foto Grand Hotel Sonnenbichl)

Die Konferenz verzichtete auf lange Vorträge, die Hauptarbeit geschah mit Arbeitspapieren, die in kleinerer oder größerer Runde diskutiert wurden. Am Mittwochnachmittag besuchte man die Landeshauptstadt, überliefert sind Fotos aus dem Schlosspark Nymphenburg. Nach Abschluss der Tagung kondensierten Peter Naur und der englische Informatiker Brian Randell die Debatten auf 226 Seiten; der Band lag Anfang 1969 vor. In der Online-Version schrumpfte er auf 136 PDF-Seiten zusammen.

Sie zeigen uns heute, was die Software-Denker vor fünfzig Jahren bewegte. Die Referate behandelten die Schwerpunkte Entwurf, Erstellung und Betrieb, dazu kamen die Themen Probleme, Ausbildung und Preisfindung. Mit den Problemen waren die Schwierigkeiten beim Erstellen umfangreicher Programmpakete gemeint, die oft viel länger dauerte als geplant. Sie waren den auch praktisch tätigen Forschern wohlbekannt.

In den Diskussionen von Garmisch tauchte zum ersten Mal die Softwarekrise auf. Dieser Ausdruck und der Haupttitel „Software Engineering“ verbreiteten sich dann in der Fachwelt. Für manche Teilnehmer stellte die Tagung im Golfhotel eine Offenbarung dar, die ihre weitere berufliche Laufbahn bestimmte. Im Oktober 1969 folgte ein NATO-finanzierter Kongress in Rom über Techniken des Software Engineering, der nicht den Kultstatus von Garmisch-Partenkirchen erreichte. 2008 fand in Leipzig eine Konferenz zum 40. Jahrestag statt; an ihr nahmen mehr als 1.000 Interessenten teil.

Der Software-Kubus im HNF gewann 2007 nicht den Turing-Preis, aber den „red dot design award“. (Foto: Jan Braun, HNF)

Auch das HNF war schon einmal der Schauplatz einer Software-Konferenz. Vom 5. bis zum 7. April 2000 tauschten sich Informatiker und Geschichtsforscher über „History of Computing: Software Issues“ aus; zu den Teilnehmern zählte Friedrich Bauer. Eine Sektion widmete sich Museen und Ausstellungen, und das gibt uns die Gelegenheit, auf den Software-Kubus des HNF hinzuweisen: siehe Foto oben. Er entstand 2007 und wurde 2016 durch das CodeLab mit seinen Winkekatzen ergänzt. Seitdem gibt es keine Softwarekrisen mehr…

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Ein Kommentar auf “Software 1968”

  1. In 1982 Alan Perlis wrote a widely quoted article: Epigrams on Programming, for Association for Computing Machinery’s (ACM) SIGPLAN journal, describing in one-sentence „distillations“ many of the things he had learned about programming over his career. The epigrams are a series of short, programming-language-neutral, humorous statements about computers and programming.

    It reminds me of Don Knuth’s documentation of his software and programming errors.

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