Sol-20 – der komplette Computer
Geschrieben am 06.07.2021 von HNF
Vor 45 Jahren feierten die Amerikaner das Bicentennial, den 200. Geburtstag ihrer Republik am „Fourth of July“ 1976. Kurz vorher war das Juli-Heft des Magazins „Popular Electronics“ am Kiosk erhältlich. Das Cover schmückte ein intelligentes Terminal, hinter dem sich der Rechner Sol-20 verbarg. Er war der erste richtige Kleincomputer aus den USA mit einem Acht-Bit-Mikroprozessor.
Seit Anfang 1975 verbreiteten sich in den USA die Personal Computer, kleine, bezahlbare Digitalrechner für private Nutzer. Der erste war der kastenförmige Altair 8800; am Ende des Jahres kam der ganz ähnliche IMSAI 8080 heraus. Sie enthielten den Mikroprozessor Intel 8080. Die Eingabe von Daten und Programmen kostete aber einige Mühe. Wer sich nicht mit Kippschaltern abmühen wollte, musste einen Teletype-Fernschreiber oder ein Terminal mit Monitor anschließen. Das war alles nicht billig.
Kalifornische Mikrocomputer-Freunde fanden dann preiswerte Lösungen. Im April 1975 gründeten die Ingenieure Robert Marsh und Gary Ingram in Berkeley nahe San Francisco die Firma Processor Technology. Sie brachte Zusatz- Module für den Altair auf den Markt. Das erste war eine Speicherkarte für vier Kilobyte; danach folgte eine Input-Output-Karte. Sie ermöglichte die Nutzung externer Tastaturen und des TV Typewriter, einer einfachen Textanzeige für Fernsehgeräte. Die TV-Schreibmaschine gab es seit 1973.
Die dritte Altair-Karte erschien im Herbst 1975. Die Einsteckplatine VDM-1 enthielt Chips zur Darstellung von Texten mit 16 Zeilen zu 64 Zeichen. Urheber des „Video Display Module“ war der dreißigjährige Lee Felsenstein. Wir haben ihn schon als Programmierer des Community Memory kennengelernt, der ersten Mailbox der Welt. Daneben moderierte der Ingenieur die Treffen des im März 1975 gestarteten Homebrew Computer Club. Seit 1974 teilten sich Lee Felsenstein und Robert Marsh eine Garage in Berkeley, wo sie an ihren Projekten werkelten.
Es war Leslie Solomon, der die entscheidende Idee hatte. Der Technik-Chef des New Yorker Magazins „Popular Electronics“ erkannte, dass man die diversen Steckkarten bündeln und ein intelligentes Terminal schaffen konnte. Ende 1974 hatte Solomon bereits den Altair 8800 in seiner Zeitschrift vorgestellt und damit die Mikrocomputer-Revolution angestoßen. Nun wollte er den Erfolg wiederholen. Im November 1975 besuchte er Marsh und Felsenstein in Berkeley. Die beiden versprachen, das Terminal zu bauen; Solomon sagte die passende Präsentation zu.
Lee Felsenstein und das Team von Processor Technology stellten in drei Monaten einen Prototyp fertig. Erst nach Beginn der Arbeiten entschloss man sich zur Nutzung des Acht-Bit-Mikroprozessors Intel 8080. In der Folgezeit verwandelte sich das zunächst angedachte Terminal in einen eigenständigen Computer; nach einem Vorschlag von Felsenstein erhielt er den Namen Sol. Weil Processor Technology Zugang zu einem Vorrat von Walnuss-Holz hatte, bestanden die Seitenwände des Rechners aus genau diesem Material.
Ende Februar 1976 führten Lee Felsenstein und Robert Marsh den Prototyp des Sol in New York vor; Popular Electronics präsentierte ihn im Juli-Heft. Es lag wahrscheinlich schon im Juni an den Kiosken aus, kurz vor dem 200. Gründungstag der USA am 4. Juli 1976. Das Cover sprach von einem hochwertigen intelligenten Terminal für den Selbstbau. Dass der Sol ein Computer war, wollte Leslie Solomon nicht allzu sehr in den Vordergrund rücken; die Firma MITS, der Hersteller des Altair 8800, zählte zu seinen besten Anzeigenkunden.
Der Artikel im Inneren sagte aber, dass der Sol ein schlaues Terminal wie auch ein „powerful microcomputer“ wäre. Er besaß ein halbes Kilobyte an fest programmierten Daten und einen zwei Kilobyte großen Arbeitsspeicher. Letzterer ließ sich weiter ausbauen. In den Handel gelangten schließlich drei Typen in kompletter Form oder zum Zusammenbau. Der Sol-PC umfasste die Grundplatine und die darauf steckenden Chips, der Sol-10 brachte eine Verkleidung mit Tastatur mit. Die Luxusausführung war der Sol-20 mit Zifferntasten und einem Ventilator für zusätzliche Einsteck-Karten.
Die Preise für die Modelle reichten von 575 bis 1.295 Dollar. Mit Speichererweiterung, Monitor und Kassettenrekorder kostete ein Sol-System über 2.000 Dollar. Bis 1979 wurden rund 12.000 Stück verkauft. Einen Nachfolger gab es nicht, denn in jenem Jahr ging der Hersteller Processor Technology pleite. Ein Beweis für die Leistung des Rechners ist das Computerspiel Target, das man hier im Video sehen kann. Ideen aus dem Sol-20 flossen später in den gleichfalls von Lee Felsenstein konstruierten Osborne 1 ein.
Das Jahr 1976 bescherte Nordamerika nicht nur das Bicentennial und den Sol-20, sondern ebenso die Einplatinenrechner KIM-1 und Apple I. 1977 erschienen die Großen Drei, sprich Commodore Pet, Apple II und Tandy TRS-80. Damit kam die Acht-Bit-Revolution endgültig ins Rollen. Dem Holzcomputer von Lee Felsenstein bleibt die Ehre, der erste voll ausgestattete Kleinrechner der IT-Geschichte gewesen zu sein. Das HNF hat ihn, siehe unser Eingangsbild, nicht vergessen. Für alle Fans gibt es noch diese Internetseite.
Ein interessanter Beitrag, vielen Dank. Besonders spannend finde ich die Konnotation als „Terminal“. Das impliziert ja nicht nur, dass es kein Computer sei, wie auf der Titel Seite hervorgehoben und gut analysiert; sondern auch, dass das Gerät an etwas angeschlossen werden müsste. Jetzt frage ich mich nur, an was genau denn so ein Terminal angeschlossen werden könnte, oder hatte sich der Begriff schlicht aus der Großrechner Zeit fortgesetzt?
„Terminal“ bezog sich auf Zusatzgeräte für die frühen Acht-Bit-Computer wie Altair und IMSAI, also nicht auf Großrechner.
Vielen Dank für die schnelle Antwort. So ganz verstehe ich es aber noch nicht, denn das war doch gerade die Idee des SOL: die einzelnen Zusatzgeräte in einem Terminal zu kombinieren?