Der gläserne Computer

Geschrieben am 23.02.2018 von

Ab dem heutigen Freitag zeigt das HNF die neue große Sonderschau „Digging Deep – Depotschätze in Szene gesetzt“. Im Themenraum über Design und Funktion kann der Besucher eine Zeitreise ins Jahr 1984 antreten. Präsentiert werden dort Exponate der Wanderausstellung „Der gläserne Computer“ von der Firma Nixdorf. Sie waren unter anderem im Deutschen Museum in München zu sehen. 

Am Anfang war der gläserne Mensch. Die lebensgroße und transparente Nachbildung eines Mannes erstaunte 1930 die Besucher des Dresdner Hygiene-Museum; 1933 erhob sie sich auf der Weltausstellung von Chicago. Zwei Jahre später schuf der Autobauer Opel einen „Gläsernen Olympia“. Der Pkw aus Plexiglas führte die damals noch seltene Bauweise mit selbsttragender Karosserie vor.

1984 kam „Der gläserne Computer“. So lautete der Titel einer Wanderausstellung der Firma Nixdorf über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Informationstechnik. Im Mittelpunkt standen Produkte aus Paderborn; Rechner, Monitore, Drucker und Tastaturen erlaubten dank Acrylverkleidung Einblicke ins Innere. Daneben gab es Tische mit richtigen Computern, an denen die Besucher Programme durchspielen konnten. Und wie es sich für eine Ausstellung gehört, lieferten Wände mit Texten tiefergehende Informationen.

Heute zählt die Glasware, wie sie im Eingangsbild zu sehen ist, zu den Höhepunkten einer neuen Ausstellung – Digging Deep. Sie führt die Besucher des HNF zu den Schätzen des Museumsdepots. Die durchsichtigen Computer und ihre Peripherie gehören dabei zum Kapitel „Design und Funktion – Nixdorf setzt Maßstäbe“. Die Szenographie ist künstlerisch ausgerichtet; 1984 war sie didaktisch orientiert und warb um Sympathien für die Technologie. Der Computer war damals schon ein vertrauter Anblick, hatte aber mitunter einen schlechten Ruf.

Der durchsichtige Opel Olympia im Jahr 1935       (Foto Opel Automobile GmbH)

„Beim Computer hört heute für viele der Spaß auf. 73 % der Bevölkerung über 14 Jahre denken beim Begriff Computer auch an Fortschritt. Ebensoviel befürchten gleichzeitig Arbeitslosigkeit.“ So ernst begann Heinz Nixdorf sein Vorwort zur Begleitbroschüre der Wanderausstellung. „Der gläserne Computer“ sollte Verständnis für den Rechner wecken und Informationen über ihn liefern. Der Firmenchef sah die Schau als „Basis sachlicher Diskussion in Kenntnis des zwiespältigen Charakters dieses Chamäleons“.

Die Ausstellung zähmte das Chamäleon in zwölf Abschnitten. Nach dem elektronischen Gästebuch stellten sich Hardy (männlich) und Softy (weiblich) vor – die beiden Comic-Figuren führten durch die Präsentationen. Danach erschien der gläserne Computer in voller Schönheit; das Ensemble ist, neu fotografiert, im Eingangsbild zu sehen. Es folgte mit Fotos und Texten eine kurze Geschichte der Rechentechnik von Abakus bis Zuse; das bekannte Modell der Schickard-Maschine war zum Anfassen aufgebaut.

Die nächsten vier Kapitel widmeten sich dem Einsatz des Computers im Büro, in der Bank, in der Gastronomie und in der Schule. „Der Computer im privaten Bereich“ war vor allem der Anschluss an den Bildschirmtext. Der Internet-Vorläufer galt 1984 als zukunftsträchtig. Abschnitt Nr. 10 befasste sich mit Berufen rund um den Computer, Nr. 11 mit seiner Zukunft. Die Nixdorf-Ausstellung sah sie in der Künstlichen Intelligenz – wir haben dazu gebloggt – und in ausfallsicheren Systemen. Der Schlussabschnitt sagte nur „Auf Wiedersehen!“.

Personal Computer Nixdorf 8810 M55 als Glasbox.

Rechner für zu Hause fehlen in der Broschüre, denn die Firma Nixdorf interessierte sich nicht sonderlich für Heimcomputer. In den späten 1980er-Jahren enthielt die Ausstellung aber einen leistungsfähigen IBM-Kompatiblen, den Nixdorf 8810 M55. Relativ klein war auch der gläserne Nixdorf 8870 Micro 7. Der „Lösungscomputer“ wurde 1983 auf der CeBIT, damals ein Teil der Hannover-Messe, eingeführt und kostete 20.000 DM. Er richtete sich an kleine und mittelständische Unternehmen und konnte zwei Arbeitsplätze versorgen.

„Der gläserne Computer“ startete Anfang 1984 in Nordrhein-Westfalen und wanderte dann weiter. Gut dokumentiert ist die Station in Bayern. Vom 20. September bis 8. Oktober 1984 belegte die Ausstellung den Ehrensaal des Deutschen Museums. An der Eröffnung nahm auch Heinz Nixdorf teil. Seine Schau dürfte die erste größere Veranstaltung des Museums zum Computer gewesen sein. Zu jener Zeit zeigte es nur zwei Relaisrechner, Konrad Zuses Nachbau seiner Z3 aus den 1960er-Jahren und die originale Z4 von 1945.

Später wurde „Der gläserne Computer“ unter anderem in Hannover und in Lübeck aufgebaut. Im Mai 1986 zog die Ausstellung in die Schweiz und gastierte im Technorama Winterthur; das war damals noch kein Science Center, sondern ein richtiges Technikmuseum. Jetzt sind die Exponate wieder in Paderborn ausgestellt, wohin wir alle Interessenten zum Besuch einladen. Übrigens: Die Schätze von „Digging Deep“ können bei freiem Eintritt besichtigt werden.

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