Das Jahr der Tablets
Geschrieben am 27.01.2020 von HNF
Vor zehn Jahren erfolgten zwei sehr unterschiedliche Produktpräsentationen, doch von ganz ähnlichen Geräten. Am 6. Januar 2010 stellte Microsoft-Chef Steve Ballmer in Las Vegas mehrere Tablet-Computer vor; sie liefen mit Betriebssystemen seiner Firma. Am 27. Januar enthüllte Steve Jobs in San Francisco das neue Apple iPad, das im Markt der flachen Rechner die Spitzenposition eroberte.
Der Tablet-PC ist eine alte Idee. Erfunden hat ihn 1966 der Regisseur Stanley Kubrick oder ein Mitarbeiter für den Film 2001. In den frühen Siebzigern träumte Computervisionär Alan Kay vom DynaBook. Gebaut wurde 1989 der GRiDPad der GRiD Systems Corporation. Es folgte 1991 der NCR 3125 und ein Jahr später der ThinkPad 700 T von IBM.
So kamen die flachen Pads und Slates – das heißt auf Deutsch Tafel – auf den Markt. Zumeist bestanden sie nur aus einem berührungsempfindlichen Bildschirm, auf dem noch eine Tastatur erscheinen konnte. Die Abgrenzung zum etwas kleineren PDA war fließend. Die Verkaufszahlen waren zunächst bescheiden. Als aber das Jahr 2010 näher rückte, stiegen die Erwartungen der Hersteller. Alle Blicke richteten sich auf die Consumer Electronics Show, die große Fachmesse für Computer und Unterhaltungselektronik in Las Vegas.
Sie lief vom 7. bis 10. Januar 2010, eröffnet wurde sie am 6. Januar um 19 Uhr. Den Vortrag zur Eröffnung hielt Microsoft-Chef Steve Ballmer – Bill Gates war Vorsitzender des Aufsichtsrats. Die Ansprache ist im Protokoll und im Video überliefert. Spannend wird’s ab Minute 49:30 – da zeigt Ballmer drei „Slate PCs“. Es handelte sich um Prototypen von Archos, Pegatron und Hewlett-Packard. Microsoft setzte sich schon länger für flache Rechner ein; seit November 2002 lag eine Tablet-PC-Edition des Betriebssystems Windows XP vor.
In Minute 52:30 endet Ballmers Auftritt ziemlich plötzlich. Seine Keynote machte dennoch Eindruck auf die Medien. Die Zeitung Guardian gab einen Überblick über die seit 1998 erschienenen Tablets; wir entdecken auch Bill Gates. Der Artikel erschien am 26. Januar 2010. Einen Tag später stand der nächste Tablet-Termin im Programm. Er fand im Novellus-Theater in San Francisco statt. Es handelte sich um eine Produktvorstellung der Firma Apple, die nicht allzu fern im kalifornischen Cupertino sitzt.
Präsentiert wurde das Produkt von Steve Jobs, dem Mann an der Firmenspitze. Wie bei der Enthüllung des iPhone drei Jahre zuvor trug er Jeans und Pullover, und das Publikum folgte gebannt seinen Worten. Die Journalisten und Apple-Fans im Saal ahnten, dass ein Tablet-Computer erscheinen würde, und so geschah es. Bei Minute 8:40 sprach Jobs die Worte „We call it the iPad”, und es wurde an die Wand gebeamt. Ein zweites lag auf der Bühne bereit. Es ist oben im Eingangsbild zu sehen (Foto matt buchanan CC BY 2.0 seitlich beschnitten).
Das Apple iPad war flach wie eine Flunder, dreizehn Millimeter dünn. Es maß 24,3 mal 19 Zentimeter und trug einen Bildschirm mit 1.024 mal 768 Pixeln. Dahinter saß ein Chip mit Namen A4, der einem kompletten Computersystem entsprach; er basierte auf einem Ein-Gigahertz-Prozessor der englischen Firma ARM. Der Arbeitsspeicher umfasste 256 Megabyte, wahlweise waren Flash-Speicher von 16, 32 oder 64 Gigabyte verfügbar. Das iPad war natürlich internettauglich und enthielt Mikrofon sowie Lautsprecher; die Kamera kam aber erst mit dem nächsten Modell.
In den USA wurde das iPad ab dem 3. April 2010 verkauft; die billigste Ausführung kostete 499 Dollar. Bei uns war es am 28. Mai für 499 Euro erhältlich. Mittlerweile erreichte es die siebte Generation; neben dem Grundmodell gibt es noch die Typen Air, Pro und mini. 2010 verkaufte Apple 7,5 Millionen iPads, 2013 waren es 71 Millionen. Danach sanken die Absätze, sie liegen aber deutlich über vierzig Millionen Stück im Jahr. Die Apple-Tablets nehmen ein Drittel des Tablet-Marktes ein und halten den ersten Platz vor Amazon und Samsung.
Die Präsentation vor zehn Jahren zeigte Steve Jobs vielleicht das letzte Mal auf der Höhe seiner Kunst. Im Rückblick sieht man ihm aber seine Krankheit an, besonders wenn man ihn mit dem gut genährten Steve Ballmer vergleicht. Nach dem iPad mutete er sich noch einige Produktvorstellungen zu, die letzte erfolgte am 6. Juni 2011. Zwei Monate später legte er den Chefposten nieder, am 5. Oktober 2011 starb er im Alter von 56 Jahren. Steve Ballmer trennte sich 2014 von Microsoft. Er widmet sich heute seinem Basketballteam.
Dass die Verkaufsentwicklung so unterschiedlich war, lag weniger an den Präsentationen als an der Qualität der Software. Die ersten Tablet-Versuche von Microsoft erinnerten sehr an das frühe Windows, das damals ebenfalls nur ein jämmerliches Imitat von Apples Software war.
Der Vollständigkeit halber hätte man noch die wichtigen Tablet-Vorstufen, Visionen und Entwicklungen der 80er Jahre erwähnen können: „Knowledge Navigator“ und „Newton“, die angelehnt an Alan Kay ihrer Zeit weit voraus waren: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Knowledge_Navigator?wprov=sfla1
Hier wurde das gedankliche Fundament für Apples späteren Aufstieg und die heutige mobile Kommunikationswelt gelegt, in der das branchenweit kopierte Software-Design des iPhone die Schlüsselrolle spielt.
Zum Apple Newton gibt es im Blog auch etwas: https://blog.hnf.de/vom-zeitplaner-zum-pda/ Dort ist auch ein Video verlinkt, das den Knowledge Navigator vorstellt: https://www.youtube.com/watch?v=hb4AzF6wEoc