Daten übers Telefon

Geschrieben am 11.04.2022 von

Wer in den 1990er-Jahren online ging, benutzte ein externes Modem. Der kleine Kasten gab seltsame Geräusche von sich und öffnete den Weg ins Internet. Ein Pionier der Technik war die Firma Hayes; sie saß nahe Atlanta im US-Staat Georgia. Im April 1977 entstanden ihre ersten Steckkarten. Vier Jahre später brachte Hayes das innovative Smartmodem heraus.

Modem ist die Kurzform des Doppelworts Modulator-Demodulator, das die Arbeitsweise ausdrückt: Ein Modem macht aus digitalen Daten kurze Wellenpakete, schickt sie durch eine Telefonleitung und digitalisiert sie beim Empfang. Das erste schufen die berühmten Bell-Laboratorien; es wurde ab 1958 im Netzwerk SAGE verwendet, das die USA vor russischen Bombern schützen sollte. 1959 brachte die Mutterfirma der Bell Labs, der Telefonkonzern AT&T, das SAGE-Modem als Bell 101 in den Handel. 1962 folgte das elegante DATAphone.

Die Bundespost stellte 1966 das Modem D 1200 S vor. Es füllte einen Blechkasten der Größe 60 x 30 x 20 Zentimeter und versandte bis zu 1.200 Bit pro Sekunde. Zur selben Zeit bauten Bastler in den USA Modems mit Akustikkopplern. Sie wandelten Daten in Töne um, die ein Telefonhörer entgegennahm; beim Empfang wurden die aus dem Hörer kommenden Laute wieder zu Bits. 1976 druckte das Magazin „Popular Electronics“ die Bauanleitung für das Pennywhistle-Modem, eine Erfindung des Ingenieurs Lee Felsenstein. Ein Nachfahre war in den 1980er-Jahren das Datenklo des Chaos Computer Clubs.

Dale Heatherington 1977 oder 1978. Hinter ihm sieht man das erste Hayes-Modem 80-103A.

Vor 45 Jahren, im April 1977, begannen zwei junge Amerikaner mit der Modem-Produktion. Dennis Hayes war Jahrgang 1950 und hatte in  Atlanta das Georgia Institute of Technology besucht. Der zwei Jahre ältere Dale Heatherington studierte an der Technischen Hochschule im nahen Marietta. Die beiden trafen sich in der National Data Corporation, die unter anderem Dienste für Datenfernübertragung anbot. Sie taten sich zusammen, die erste Fertigung fand im Haus von Dennis Hayes in einem Vorort von Atlanta statt.

Das erste Resultat trug den Namen 80-103A; es war eine Leiterplatte mit mehreren Chips, die in Mikrocomputer wie den Altair oder den IMSAI gesteckt wurde. Das Modem leistete das gleiche wie das erwähnte DATAphone und übertrug 300 Bit pro Sekunde. Allerdings war es nicht erlaubt, fremde Hardware im Telefonnetz von AT&T zu benutzen. Ein User musste das Modem mit einem Zwischenstück verbinden, das er bei AT&T mietete. Dennis Hayes und Dale Heatherington verkauften dennoch so viele, dass sie sich selbstständig machten.

Micromodem II in einem Apple. Der „microcoupler“ ist das Bindeglied zum Telefonnetz.

Anfang 1978 erfolgte die Gründung der D. C. Hayes Associates; im ersten Geschäftsjahr verdiente die Firma schon 125.000 Dollar. 1979 erschienen als Nachfolger des Modells 80-103A das Micromodem 100 und das Micromodem II für den Apple II. Ab 1980 nannte sich das Unternehmen Hayes Microcomputer Products. Ein Jahr später legte Dale Heatherington das Smartmodem vor. Es saß nicht im Computer, sondern in einem separaten Gehäuse, ließ sich programmieren und gab die typischen Modem-Geräusche von sich.

Das erste Smartmodem kostete knapp 300 Dollar; die Übertragungsrate lag wieder bei 300 Bit in der Sekunde. 1982 brachte Hayes das viermal schnellere und mehr als doppelt so teure Smartmodem 1200 heraus. Die Geräte beherrschten den Markt, die Firma setzte 140.000 Stück pro Jahr ab. Die Hayes-Modems definierten einen technischen Standard für die Online-Welt, der bis heute gilt, und sie ermöglichten in den USA die Mailbox-Szene. Ihre Entstehung wurde natürlich durch die Liberalisierung der Telekommunikation gefördert.

Das Smartmodem von 1981 maß 14 mal 25 Zentimeter und passte gut unter das Telefon. (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution)

Dale Heatherington zog sich 1985 mit zwanzig Millionen Dollar aus dem Unternehmen zurück. Mitgründer Dennis Hayes blieb, er hatte es aber nicht leicht. Die Konkurrenz wurde immer stärker – zu nennen ist besonders U. S. Robotics – und Hayes verlor die Rolle des technischen Innovators. Im November 1994 meldete die Firma Insolvenz an. Sie hielt noch gut vier Jahre durch; im Januar 1999 wurde sie aber endgültig liquidert. Zu diesem Zeitpunkt verschickten Modems in der Regel 56,6 Kilobyte in der Sekunde.

Auf der Internetseite von Dale Heatherington finden sich schöne Fotos zur Geschichte von Hayes Communications, wie die Firma am Schluss ihrer Laufbahn hieß. Unser Eingangsbild zeigt das Produkt eines anderen Herstellers, das Acer Modem 56. Es kam vor rund zwanzig Jahren heraus und belegt ein eigenes Fach in der Internet-Wand des HNF. Das Foto unten stammt ebenfalls aus Paderborn. Wir sehen dort eine Version des Postmodems D 1200 S von 1975. Es übermittelte Daten ans Rechenzentrum der Steuerberater-Genossenschaft DATEV in Nürnberg. (Zum Lesen der Texte bitte das Bild anklicken.)

 

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2 Kommentare auf “Daten übers Telefon”

  1. A Erlenkötter sagt:

    Wieder ein interessanter Artikel, danke! Zur Ergänzung: Als in DE noch alle Modems von der DBP geliefert wurden, war so eine Installation aufwendiger, als wir das heute kennen, da selbst ein 300 baud Modem individuell für die primäre Strecke „eingemessen“ (eingestellt) wurde.

  2. There is no obligation! Eine tolle Quelle für über das Data Phone Von Bell Labs, in denen sogar die Sparkassen eine Rolle spielen. Danke für diesen wie immer reich mit Hintergrund Material angereicherten Beitrag.

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