Der Revolutionär – Altair 8800
Geschrieben am 29.11.2019 von HNF
Vor 45 Jahren gab es schon Mikroprozessoren für Daten im Acht-Bit-Format. Es gab auch einige Computer, die sie benutzten. Am 29. November 1974 erschien in New York das Heft von „Popular Electronics“ für Januar 1975. Es stellte den Acht-Bit-Rechner Altair 8800 vor, der als Bausatz 397 Dollar kostete. Er löste die Revolution der Mikrocomputer aus.
„Die Ära des Rechners in jedem Heim – ein beliebtes Thema für Science-Fiction-Autoren – ist angebrochen! Möglich machten es ‚Popular Electronics‘ und MITS mit dem Altair 8800, einem ausgewachsenen Computer, der gegen hochentwickelte Minicomputer, wie sie jetzt auf dem Markt sind, bestehen kann. Und er kostet nicht mehrere tausend Dollar.“
So begann der Artikel über den Altair 8800 im Januar-Heft 1975 der oben zitierten Zeitschrift. Das Heft ging schon am 29. November des Vorjahres in Druck, siehe die Karteikarte in der amerikanischen Kongressbibliothek. In den Handel gelangte es im Dezember 1974. Das Cover von Popular Electronics – dicke Datei ! – pries den Altair als ersten Minicomputer-Bausatz der Welt an. Bastler erhielten ihn für 397 Dollar, ein reduzierter Bausatz kostete nur 298 Dollar. Der Hersteller MITS verkaufte ihn auch komplett montiert für 498 Dollar.
Die Gattung, in die der Altair gesteckt wurde, umfasste die kleinsten Elektronenrechner. Minicomputer bildeten die Kategorie unterhalb der Mainframes von IBM oder Control Data. Sie waren so groß wie Kühlschränke und verbreiteten sich seit den 1960er-Jahren in Firmen, Ämtern, Universitäten und Schulen. Die Minis hatten aber vierstellige Preise und standen nicht in Privathaushalten. „Popular Electronics“ erweiterte die Gattung mit dem Altair nach unten; ähnlich verfuhr im Juli 1974 das Magazin „Radio-Electronics“ beim Mark-8.
Beide Rechner enthielten Prozessoren für acht Bit, heute würde man sie Mikrocomputer nennen. Der Altair nutzte den Intel 8080; er war ein Entwurf des Chipdesigners Federico Faggin und seit April 1974 erhältlich. Schöpfer des Altair war der 33-jährige Ed Roberts. Seine Firma MITS – Micro Instrumentation and Telemetry Systems – saß in Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexiko. Er hatte in den frühen Siebzigern einiges Geld mit elektronischen Tischrechnern verdient. Mit den neuen Taschenrechnern konnte er aber nicht konkurrieren.
Ed Roberts wechselte zu Computern mit Mikrochips. Bei Intel handelte er den Preis des 8080-Prozessors von 360 auf 75 Dollar herunter. Er musste tausend Stück abnehmen, konnte aber mit der Entwicklung beginnen. Sein Computer war kastenförmig, 43 cm breit, 18 cm hoch und 46 cm tief. Im Inneren befand sich ein Gestell für senkrecht eingeführte Steckkarten. Als S-100-Bus wurde es zum ersten Industriestandard der Mikrocomputerwelt. Neben dem Intel 8080 besaß der Rechner in der Grundversion nur noch einen Speicherchip für 256 Bytes.
Im Sommer 1974 suchte das New Yorker Technikmagazin „Popular Electronics“ einen Knüller für die Januar-Ausgabe. Chefredakteur Art Salsberg hörte von dem noch anonymen Gerät in Albuquerque und wollte es haben. Im Oktober gab MITS einen Prototyp auf die Post, der unterwegs verlorenging. Auf dem Heft erschien nur ein Foto der Frontplatte. Den Artikel im Inneren verfassten Ed Roberts und sein MITS-Kollege William Yates. Den Namen Altair wählte die Redaktion aus. Der Legende nach wurde er durch die TV-Serie Raumschiff Enterprise inspiriert, doch wahrscheinlich nahm man einfach einen gut klingenden Fixstern.
Nach Erscheinen der „Popular Computing“-Ausgabe traf eine Flut von Bestellungen in Albuquerque ein. Mit einiger Mühe und neuen Arbeitskräften – die Belegschaft wuchs von zwanzig auf neunzig Köpfe – konnte MITS die Rechner montieren und verschicken. Bis Mai 1975 gingen 2.500 Altairs heraus, im August waren es mehr als 5.000. Zu jener Zeit hatte der kleine Computer noch keine Konkurrenz; erst im Dezember kam in Kalifornien der ganz ähnliche IMSAI 8080 heraus. Er wurde später durch den Film Kriegsspiele populär.
Ohne Zubehör war der Altair fast nutzlos; die Eingaben geschahen per Kippschalter, die Ausgaben durch LEDs. Der S-100-Bus nahm aber Karten mit Speicherchips und für den Anschluss von Peripheriegeräten auf. Der User musste dafür natürlich zahlen. Ab Juli 1975 lieferte MITS auch zwei Versionen einer Programmiersprache, Altair BASIC 4K und 8K. Sie stammten von zwei jungen Männern namens Paul Allen und Bill Gates. Sie gründeten anschließend eine kleine Software-Firma und blieben bis Ende 1978 in Albuquerque.
Danach zog man in die Gegend von Seattle, wo Microsoft noch heute sitzt. Der Altair war also Geburtshelfer des größten Software-Unternehmens der Welt. Im März 1975 bewog er im Silicon Valley einige Nerds zur Gründung des Homebrew Computer Club. Hier sollten sich Steve Jobs und Steve Wozniak begegnen, was zu einer weiteren Weltfirma führte. Der Altair war nicht der erste betriebsfähige Acht-Bit-Rechner, diese Ehre gebührt dem Micral. Er gilt aber als der entscheidende Impulsgeber der Mikrocomputer-Revolution.
Die Firma MITS wurde 1977 von der Pertec Corporation übernommen. Ed Roberts kaufte sich danach eine Farm in Georgia und absolvierte ein Medizinstudium. Von 1988 bis zu seinem Tod im Jahr 2010 betrieb er eine Arztpraxis in der Kleinstadt Cochran. Einen Altair 8800 besitzt auch das HNF, er ist oben im Eingangsbild zu sehen. Auf der rechten Seite erkennt man fünf Einsteckkarten im S-100-Bus.
Mein „Altair“ 4400 war dann wohl die Revolutions-Vorhut? Schade, dass es in Deutschland damals nicht so eine Zeitschrift gab
Übrigens: Der Elektor-Computer 74 war noch TTL-Bastelei. Der Begriff Mikrocomputer leitete sich ab von Mikroprozessor. Die Mikrocomputer-Revolution startete woanders, der Altair 8800 war nicht der erste Mikrocomputer. Die Revolution wurde durch Popular Electronics lediglich popularisiert.