Die Geburt der Kompaktkassette
Geschrieben am 29.08.2023 von HNF
Magnetbänder zählen zu den ältesten Medien, um digitale Daten zu speichern. Für die Nutzung in kleineren Computern verwendete man in den 1970er- und 1980er-Jahren die Kompaktkassette. Die „Datasette“ basierte auf der Audio-Kassette, einem Produkt der Firma Philips. Seine Entwicklung erfolgte in Belgien; vorgestellt wurde die Technik im Sommer 1963 auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin.
Die Funkausstellung von 1963 – sie lief vom 30. August bis zum 8. September in Berlin – ist nicht im Film überliefert, und schöne Fotos fanden wir auch keine. In der Retro-Mediathek der ARD gibt es aber einen Beitrag über die Hauptattraktion der Schau. Das war der Stereo-Rundfunk; der Reporter des WDR interviewte einen Manager des Radioherstellers Graetz. Der saß damals in Altena im Sauerland.
Weniger Aufsehen erregte in Berlin eine andere Präsentation. Die niederländische Firma Philips zeigte ein neuartiges Tonbandgerät mit der Bezeichnung EL 3300. Es ist oben im Eingangsbild zu sehen (Foto Royal Philips). Das Gerät war nur 19,6 Zentimeter lang und 11,3 Zentimeter breit, wog anderthalb Kilo und lief mit Batterien. Unter der Haube befand sich eine Kassette; sie enthielt auf zwei Spulen aufgewickelt ein neunzig Meter langes und 3,8 Millimeter schmales Magnetband. Das Ganze kostete 299 DM und war der erste Kassettenrekorder der Welt.
Der Philips EL 3300 war ein weiterer Schritt in der Miniaturisierung der Tonaufnahme. Neben den herkömmlichen Magnetophonen bot der Fachhandel bereits kompakte und nicht gerade billige Geräte für Spezialaufgaben an. Sie kamen etwa vom Münchner Hersteller Uher oder vom Schweizer Unternehmen Kudelski – der Markenname lautete Nagra. 1958 brachte die in New York ansässige Radio Corporation of America ein System mit Tonband-Kassetten auf den Markt; man kann es hier im Video erleben. Nach sechs Jahren verschwand es wieder.
Schon vor dem Kassettenrekorder bot die Firma Philips ein kleines Tonbandgerät mit Batteriebetrieb an. Das EL 3585 erschien auf der Funkausstellung 1961– im Film taucht es gleich zu Beginn auf. Sein Schöpfer war der Ingenieur Lodewijk Frederik Ottens, besser bekannt als Lou Ottens. Er wurde 1926 in Bellingwolde an der Grenze zu Ostfriesland geboren. 1952 trat er bei Philips in Eindhoven ein. 1957 wechselte er ins Zweigwerk Hasselt nach Belgien, ab 1960 leitete er die Produktentwicklung. In Hasselt fand auch die Fertigung des EL 3585 statt.
Sein Nachfolger war der EL 3300. Der Kassettenrekorder führte zu einer neuen Kategorie von Tonbandgeräten in vielen Formen und Farben. Philips verzichtete auf Lizenzgebühren und bestand nur auf einer Standardisierung. Verschiedene Techniken der Rauschunterdrückung und Chromdioxid-Bänder steigerten die Tonqualität; die Einführung des Sony Walkman im Jahr 1979 bescherten der Kassettentechnik neue Absatzrekorde. Das Nachsehen hatten die deutschen Grundig-Werke. Ihr 1965 eingeführtes Konkurrenzsystem DC-International wurde zwei Jahre später eingestellt.
In den 1970er-Jahren verbreitete sich die Philips-Kassette in der Computertechnik. Frühe Rechner mit einem Laufwerk waren der HP 9830A von Hewlett-Packard und der TA 1000 der Firma Triumph-Adler; entwickelt hatte ihn Otto Müller. Ein Kassettenlaufwerk besaß ebenso der Mikrocomputer PET 2001. Hersteller Commodore schuf danach die Datassette – auch Datasette geschrieben – als Äquivalent zu Disketten-Laufwerken. Datasetten gab es auch von Robotron; ab 1986 sendete der DDR-Rundfunk dafür akustische BASIC-Programme.
Kassetten-Erfinder Lou Ottens rückte 1969 zum Direktor des Standortes Hasselt auf. Ab 1972 leitete er den Audio-Bereich von Philips und startete die Entwicklung der Compact Disc. Von 1979 bis 1984 war er Chef der Video-Sparte des Konzerns. Die Erfolge der Kompaktkassette und der CD konnte er dort aber nicht wiederholen. Später wirkte Ottens im amerikanischen Dokumentarfilm Cassette mit und erlebte 2016 auch noch die Premiere. Er starb 2021 im gesegneten Alter von 94 Jahren. Seine Erfindung ist immer noch erhältlich.
Ich kann mich noch sehr gut an die Präsentation auf der HiFi in Düsseldorf erinnern. Der Präsentierte nahm einen zerdrückten Schwamm und sprach darauf, wehrend er in langsam lockerte. Es sollte die Möglichkeit vorführen, daß wenn man den Schwamm wieder zusammenpresste, die Sprache wieder hervortrete.