Hollywood geht online
Geschrieben am 25.03.2022 von HNF
Am Sonntag werden in Los Angeles die Oscars verliehen. Die deutsche Produktion „Ich bin dein Mensch“ über einen sozialen Roboter kam leider nicht in die Endrunde. Deshalb möchten wir ein anderes Thema aufgreifen. Filme mit Digitalrechnern gibt es seit 1952, doch seit wann gehen Menschen auf der Leinwand ins Internet und was taten sie dort?
Den Automatenmenschen entdeckte das Kino 1911, das Elektronengehirn nach dem Zweiten Weltkrieg. 1952 trat der IBM-Computer SSEC im Spionagefilm „Walk East on Beacon!“ auf. 1957 blinkte EMMARAC in der Komödie Desk Set und führte Katherine Hepburn und Spencer Tracy zusammen. 1970 kämpfte der deutsch-amerikanische Darsteller Eric Braeden gegen den allmächtigen Superrechner Colossus.
Computer gehören heute zum Kino-Alltag. James Bond griff bereits 1997 zum Nokia-Smartphone und lenkte damit einen BMW im Film Der Morgen stirbt nie. Doch wann ging Hollywood zum ersten Mal online? Das könnte 1968 im Science-Fiction-Klassiker 2001 gewesen sein. Dort nutzen Astronauten auf dem Mond und im Raumschiff Tablet-Computer und die brauchen zumindest ein WLAN. Leider hat Regisseur Stanley Kubrick die Technik nicht erklärt; der Roman „2001“ von Arthur C. Clarke schildert aber ein satellitenbasiertes Nachrichtennetz in der Erde-Mond-Region.
Die erste realistische Darstellung der Online-Welt verdanken wir nicht Hollywood, sondern dem amerikanischen Fernsehen. Im Januar 1975 trieb in der Krimi-Serie „Hawaii Five-0“ ein Computer Killer sein Unwesen. Er drang aus der Ferne in Datenbanken ein, um Beweise für einen Gerichtsprozess zu fälschen. Hier sind Details zum Skript, einige Fotos gibt es hier. Deutsche Zuschauer von „Hawaii Fünf-Null“ mussten bis 1993 warten, ehe „Die Macht der Computer“ – so hieß die Folge bei uns – auf ihrem Bildschirm zu sehen war.
War Games zeigte schon 1983 den Umgang mit Telefon und Akustikkoppler im Kino. Er war nicht nur der erste Internet-, sondern auch der erste Hacker-Film. Der zweite wurde – man staunt – in Deutschland gedreht. In der Komödie Peng! Du bist tot erkundete Ingolf Lück 1987 das Datex-P-Netz; es folgte – man staunt noch einmal – ein Bundesfilmpreis. Fünf Jahre später leitete Robert Redford die Sneakers ins Internet. Er spielte einen Sicherheitsexperten, im Mittelpunkt stand allerdings ein Krypto-Chip. Leonard Adleman, einer der Väter der RSA-Verschlüsselung, fungierte als mathematischer Berater.
Zwei bemerkenswerte Filme erschienen 1995. Ende Juli fand die Premiere von The Net statt. Die von Sandra Bullock gespielte Heldin erlebt die Welt hauptsächlich online. Sie kommt in Kontakt mit Computer- und richtigen Kriminellen und wird ihrer Identität beraubt. Die Geschichte endet mit Mord und Totschlag, aber letztlich gut. Im September des Jahres lief Hackers an. Das Drehbuch verriet Kenntnisse der echten Computerszene sowie von Viren und Würmern. Es gab wieder einen Computer-Bösewicht, doch blieb am ehesten die junge Angelina Jolie in Erinnerung, die eine Hackerin verkörperte.
Der Film setzte eine Serie von Hacker-Streifen in Gang, die erst in den späten 2010er-Jahren endete. An „The Net“ hing sich 2006 der nur als Kassette oder DVD erhältliche „The Net 2.0“ an. Ein deutscher Beitrag war 2014 Who Am I – Kein System ist sicher; er gewann mehrere Preise. Die Beliebtheit des Themas steht im Gegensatz zur Tatsache, dass die goldene Ära des Hackens eigentlich lange zurückliegt. Von Interesse sind aber Filme über reale Täter. „Biopics“ entstanden über Karl Koch und die KGB-Hacker, ebenso zu Kevin Mitnick, Julian Assange und Daniel Domscheit-Berg sowie zu Edward Snowden.
Eine Filmbiographie verdiente sich auch der Gelegenheits-Hacker Mark Zuckerberg. „The Social Network“ über die Frühgeschichte von Facebook startete 2010 in den Kinos; später heimste der Streifen drei Oscars ein. Keinen Oscar, aber 250 Millionen Dollar Einnahmen erbrachte You’ve Got Mail von 1998. Der deutsche Titel lautete „e-m@il für Dich“. Die Komödie mit Meg Ryan und Tom Hanks war ein Remake des Ernst-Lubitsch-Films „The Shop Around the Corner“ aus dem Jahr 1940. Damals kannte man noch keine elektronische Post, dafür aber Kontaktanzeigen und verliebte Briefe.
Liebe fühlte ebenso Joaquin Phoenix in der Rolle des frustrierten Theodore Twombly. 2013 entwickelte sich im Streifen Her eine Beziehung zwischen ihm und dem Betriebssystem seines Rechners; gesprochen wird es von der unsichtbaren Scarlett Johansson. Produzent, Regisseur und Autor Spike Jonze erhielt einen Oscar für das beste Original-Drehbuch. Der Erfolg führte Branchenkollegen zu weiteren Filmen mit intelligenten Sprachprogrammen; zu nennen sind etwa „Jexi“, „Superintelligence“ und aus diesem Jahr „Kimi“.
Zum Schluss sei vermerkt, dass unser Rundblick natürlich unvollständig ist; so fehlen die Dokumentarfilme. Zwei Titel bleiben uns aber noch. Das wären Monsieur Pierre geht online von 2017, der Beitrag des französischen Kinos zur Netzkultur, und The Circle aus dem gleichen Jahr. Hier kehrt Tom Hanks älter und mächtiger in die Internet-Welt zurück, und erfreulicherweise ist der Film in voller Länge online. Wir wünschen gute Unterhaltung und außerdem viel Vergnügen in der Oscar-Nacht.