Afroamerikanische Computerexperten

Geschrieben am 01.09.2020 von

In den USA leben 41 Millionen Menschen mit dunkler Hautfarbe; das sind dreizehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Viele von ihnen begeisterten sich für Computer, manche leisteten wichtige Beiträge für Wissenschaft und Technik. Meist blieben ihre Arbeiten unbekannt oder wurden erst spät gewürdigt. Deshalb möchten wir heute einmal afroamerikanische Experten und Expertinnen im Feld der Informatik vorstellen.

Richtig bekannt wurden sie erst 2017 als Hidden Figures: Katherine Johnson, Mary Jackson und Dorothy Vaughan. Die drei arbeiteten als Rechnerinnen und Programmiererinnen für die NASA. Der Film spielte in den frühen 1960er-Jahren und schilderte ihr nicht einfaches Leben als Afroamerikanerinnen in Virginia. „Hidden Figures“ machte klar, dass sich auch Menschen dunkler Hautfarbe für Mathematik und für Informatik interessieren und in diesen Gebieten Erfolge erzielen.

Im Blog trafen wir schon einen afroamerikanischen Zahlenkünstler. Thomas Fuller gelangte 1724 als Vierzehnjähriger von Westafrika in die Kolonie Virginia. Er lebte das Leben eines Sklaven; im Alter wurde aber sein überragendes Talent im Kopfrechnen erkannt. Der erste afroamerikanische Datenforscher war William Edward Burghardt Du Bois. Der Soziologe und Aktivist erstellte für die Pariser Weltausstellung von 1900 statistische Bilder, die die Lage der Schwarzen in den USA und im US-Bundesstaat Georgia aufschlüsselten. Sie sind Meisterwerke der Informationsgrafik.

Schwarze Locherinnen der amerikanischen Volkszählung von 1940; sie saßen von ihren weißen Kolleginnen getrennt.

Im 20. Jahrhundert kamen schwarze Bürger mit der Lochkartentechnik in Kontakt. Die IBM hatte 1924 einen Mitarbeiter dunkler Hautfarbe, der vor 1900 in eine der Vorläuferfirmen eingetreten war. Im April 1940 fand in den USA eine Volkszählung statt; 2.400 „Puncher“ übertrugen danach die gesammelten Informationen in Pappkärtchen. Die jungen Frauen saßen im Gebäude der Census-Behörde und lochten von morgens bis abends. Sie saßen nach weiß und schwarz getrennt.

1946 stellte die IBM mit Thomas Laster einen afroamerikanischen Vertriebsmann und 1947 mit John Stanley Ford einen ebensolchen Ingenieur ein. Ford holte sich heimlich Unterlagen der IBM-Personalabteilung und trainierte mit Erfolg schwarze Männer und Frauen, die sich bei Big Blue bewerben wollten. In den 1950er-Jahren stieg die Zahl von IBM-Mitarbeitern dunkler Hautfarbe langsam an, etwas schneller in den 1960er-Jahren. 1968 wurde George Carter der erste afroamerikanische Abteilungsleiter.

Joe Thompson im MIT neben dem Whirlwind. (Foto Computer History Museum)

Der erste afroamerikanische Operator eines Elektronenrechners war Joe Thompson. Er wurde 1933 in Baltimore geboren und besuchte in Boston die High School. 1951 wurde er direkt für das Whirlwind-Projekt des Massachusetts Institute of Technology engagiert. Er arbeitete viereinhalb Jahre am Computer und studierte außerdem in Abendkursen. Danach zog er nach Kalifornien und programmierte für verschiedene Firmen; 1991 ging er in Rente. Hier sehen wir ihn ab Minute 0:35 in einem Film, der im MIT über Whirlwind gedreht wurde.

Die NASA-Rechnerinnen Katherine Johnson, Mary Jackson und Dorothy Vaughan haben wir bereits erwähnt. In der Raumfahrtbehörde arbeiteten noch andere Afroamerikanerinnen am Computer. Die Mathematikerin Melba Roy Mouton befasste sich unter anderem mit der Bahnverfolgung der Satelliten Echo 1A und Echo 2; das Eingangsbild zeigt sie im Jahr 1960. Später wurde sie Chefprogrammiererin und Sektionschefin im Goddard Space Flight Center in der Nähe von Washington.

Annie Easley 1981. Vorher erlebte sie, dass sie aus NASA-Fotos herausgeschnitten wurde.

Annie Easley wurde 1933 in Birmingham im US-Bundesstaat Alabama geboren; die Stadt wurde später ein Zentrum der Bürgerrechtsbewegung. Sie studierte zunächst Pharmazie an einer „schwarzen“ Hochschule in New Orleans; nach der Heirat lebte sie in Cleveland in Ohio. Dort wurde sie Rechnerin und dann Programmiererin an einem NASA-Zentrum für Triebwerksforschung. An ihre Arbeit hatte sie, wie sie später sagte, mehr gute als schlechte Erinnerungen. Leider sind die „Hidden Figures“ der NASA inzwischen alle verstorben.

Ein besonders Kapitel sind afroamerikanischen Innovatoren im Silicon Valley. Jerry Lawson arbeitete in der Halbleiterfirma Fairchild; in den 1970er-Jahren brachte er eine Spielekonsole heraus, den Channel F. Im Forschungszentrum Xerox PARC war zur selben Zeit Clarence Ellis tätig. Er beschäftigte sich mit dem Büroinformationssystem OfficeTalk. Der bekannteste schwarze Informatiker im Valley dürfte Marc Hannah sein. Er studierte bei James Clark in Stanford und gehörte 1981 zu den Gründern der Firma Silicon Graphics.

Rod Adkins eröffnet im Jahr 2010 ein IBM-Labor im englischen Manchester. (Foto IBM Events CC BY-SA 2.0 seitlich beschnitten)

Wir kommen nun noch einmal zur Fima IBM. Mark Dean, Jahrgang 1957, promovierte an der Stanford-Universität; er zählte zu den Entwicklern des IBM-PC und des ISA-Bus, der im PC/AT Anwendung fand. Ab 1997 leitete er das IBM-Labor im texanischen Austin; dort entstand 1999 der erste Chip mit einer Taktrate von einem Gigahertz. Sein ein Jahr jüngerer Kollege Rod Adkins wirkte an der Entwicklung des IBM ThinkPad mit und leitete die Unix-Abteilung der Firma. Er brachte es bis zum „Senior Vice President“.

Schließen wollen wir mit Gladys West. Geboren 1930 in Virginia, studierte sie Mathematik. Von 1956 bis 1998 arbeitete sie im Forschungszentrum der US-Marine in Dahlgren. Mit der dortigen IBM 7030 – wir haben den Computer im Blog erwähnt – löste sie Probleme der Satellitengeodäsie. Ihre Resultate gingen auch ins GPS-System ein. 2018 entdeckte sie das Pentagon und nahm sie in die Ruhmeshalle der Weltraumforschung auf. Hier ist Dr. West im Video und unten im Foto. Diese und diese Seite nennen noch weitere afroamerikanische Computerexperten und –expertinnen, und hier sind einige Statistiken zu ihnen.

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Ein Kommentar auf “Afroamerikanische Computerexperten”

  1. Rudolf Seising sagt:

    Vielen Dank für diesen Blog-Artikel. Hoffentlich kann er dazu beitragen, dass in Zukunft weitere wissenschafts- und technikhistorische Arbeiten zu diesem Thema angeregt werden.

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