Wie beseitige ich einen Computer?

Geschrieben am 16.04.2015 von

Am 20. Juli 2013 zerstörten Redakteure der Zeitung „Guardian“ unter Aufsicht von Technikern des Geheimdienstes GCHQ mehrere Computer, die Texte des Whistleblowers Edward Snowden enthielten. Seit kurzem werden die Reste eines der Rechner in einem Museum in London gezeigt. Das war nicht das erste Mal, dass digitale Hardware mit Gewalt aus dem Verkehr gezogen wurde.

Sie nannten sich Ian und Chris und arbeiteten beim englischen Geheimdienst GCHQ, der sich der elektronischen Spionage und der Verschlüsselungstechnik widmet. Am 20. Juli 2013 überwachten sie in London die Zerstörung von Computern und externen Festplatten, auf denen die Zeitung „Guardian“ Dokumente von Edward Snowden zur globalen Datensammlung abgespeichert hatte. Die Aktion im Keller des Zeitungshauses dauerte drei Stunden und ersparte der Redaktion weitere staatliche Zwangsmaßnahmen.

Überreste eines damals demolierten Laptops sind seit Anfang April in der Ausstellung „All of This Belongs to You“ zu sehen, die das Londoner Victoria and Albert Museum im Vorfeld der englischen Parlamentswahl vom 7. Mai zeigt. (Der Titel könnte durch 1. Buch Mose 13, Vers 15, inspiriert sein.) Die Ausstellung fragt nach der politischen Position von Institutionen heute und speziell nach der Verantwortung der Museen. Der misshandelte Computer liegt dabei neben einem abhörsicheren Mobiltelefon, einem Router für das berüchtigte Tor-Netzwerk und einem Selfie-Stick.

Das bizarre Schauspiel beim „Guardian“ ist der letzte, aber nicht der einzige Fall einer Beseitigung von funktionstüchtiger Hardware. So wurden aus Gründen der Geheimhaltung zehn Colossus-Rechner zerlegt, die im 2. Weltkrieg im Dechiffrierzentrum Bletchley Park liefen und codierte deutsche Funksprüche lesbar machten. Auf dem Müll landete ebenso der Mark III, den US-Computerpionier Howard Aiken 1949 baute. Technikhistoriker konnten in den 1980er Jahren einige Teile dieser Maschine wiederfinden.

Sprick-Maschine

Die größten Verluste der deutschen Computergeschichte sind sicher die ersten Anlagen von Konrad Zuse, die in Berlin dem Bombenkrieg zum Opfer fielen. Verloren ist aber auch der Relaisrechner Z5, den Zuse 1953 an die Optikfirma Leitz lieferte. Leitz gab die Z5 später wieder zurück, ihr endgültiges Schicksal ist unbekannt, eine Verschrottung wahrscheinlich. 1951 baute der Physiker Walter Sprick in Kiel einen Röhrenrechner, der im Deutschen Museum steht (Foto). Eine Zweitversion des Geräts blieb an der Ostsee und wurde vom letzten Besitzer, einer Heizungsfirma, zu 100% entsorgt.

Tausende von Computern ließ einst die Firma Apple verschwinden. Es handelte sich um Mikros des Typs Lisa, der 1983 auf dem Markt erschien und eine graphische Benutzeroberfläche besaß. Die Lisas waren innovativ aber teuer und verkauften sich schlecht; 1985 stoppte die Produktion. 1989 hatten sich 2.700 von ihnen – nach anderer Zählung 3.500 – bei einem Gebrauchtcomputerhändler im Ort Logan (US-Bundesstaat Utah) angesammelt, als sich das Apple-Management entschloss, sie als Verlust von der Steuer abzusetzen.

Man schaffte das Kontingent zu einer nahen Mülldeponie und pflügte es unter; erhalten blieben nur zwei Fotos. Eine ähnliche Behandlung erlebten 1983 mehrere tausend Atari-Spiele, die nicht zum Kunden, sondern auf eine Müllhalde bei Alamogordo im US-Bundesstaat New Mexico kamen. Dazu zählten Kassetten von „E.T.“, das zu den größten Flops der Computerspiel-Geschichte gehörte. 2014 gruben rührige Historiker die Kassetten wieder aus, und 2015 entstand sogar ein Dokumentarfilm, „Atari: Game Over“.

Schließen wollen wir mit dem traurigen Schicksal von Bernhard Tillmann, der von einem Deutschen Computermuseum träumte und dafür eine riesige Hardware-Sammlung zusammentrug. Um 2005 herum verlor er alle Besitzrechte, und die Rechner verrosteten in einer windigen Halle im Ruhrgebiet. 2007 gelangten die besten Stücke nach Kalifornien, der Rest stand noch jahrelang den Elementen ausgesetzt herum. Bernhard Tillmann starb am 22. November 2011 in Dortmund kurz vor seinem 64. Geburtstag. Seine in die USA verbrachten Schätze finden sich im Online-Katalog des Computer History Museum mit dem Suchwort „SAP collection“,

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