Briefmarke für die Code Girls

Geschrieben am 28.02.2023 von

Wer sich für die Geschichte der Kryptologie interessiert, der weiß von Bletchley Park in England. Dort arbeiteten im Zweiten Weltkrieg Tausende von Männern und Frauen an der Entschlüsselung von chiffrierten deutschen Funksprüchen. Etwas weniger bekannt sind die „Women Cryptogists“ der USA. Im Oktober 2022 brachte die amerikanische Post eine Briefmarke heraus, die ihre Leistungen würdigt.

Viel erkennt man nicht, eigentlich nur „Women Cryptologists of World War II“ in großen Buchstaben und dahinter verschwommene Zeilen in der gleichen Schrifttype. Unten stehen die Worte „USA“ und „Forever“. Das ist kein patriotischer Ausruf, sondern drückt den Wert der Briefmarke aus, die das Bildchen ausmacht. Er entspricht stets dem aktuellen Porto für einen Standardbrief der amerikanischen Post USPS. Zur Zeit wären das sechzig Cent.

Die geschilderte Marke brachte die US-Post am 18. Oktober 2022 heraus. Ihre Einführung erfolgte an einem Ort, den wir im Blog zeigten, im Museum des Geheimdienstes NSA in der Nähe von Washington. Wir erwähnten auch schon eine Kryptologin der NSA, die 1924 geborene und 1980 verstorbene Dorothy Blum. Sie arbeitete in der Nachkriegszeit, die Briefmarke erinnert dagegen an ihre Vorgängerinnen aus den Jahren von 1941 bis 1945. Damals befanden sich die USA bekanntlich im Krieg mit Japan und Deutschland.

Die „ewige“ Briefmarke zu Ehren der Kryptologinnen  (Foto United States Postal Service)

Der lief auch weit hinter der Front ab, in den geheimen Forschungsstellen, die feindliche Funksprüche entschlüsselten. Während in England die Kryptologen und Kryptologinnen in Bletchley Park nördlich von London saßen, gab es in den USA zwei Zentren. Die US-Armee betrieb den Signal Intelligence Service SIS in Arlington, einem Vorort von Washington; die Marine hatte eine Abteilung OP-20-G mit Büros in der Bundeshauptstadt und auf Hawaii. Einen kleinen Dechiffrierdienst unterhielt außerdem die Küstenwache. Später gingen die Organisationen in der NSA auf.

Schon 1940 gelang es dem SIS, die japanische Chiffriermaschine Purple – so bezeichneten sie die Amerikaner – zu analysieren und nachzubauen. Damit wurde auf einen Schlag die diplomatische Kommunikation des Kaiserreiches lesbar. Die Purple entsprach technisch der deutschen Enigma, allerdings enthielt sie Schrittschalter statt Rotoren. Der große Erfolg von OP-20-G war das Brechen des japanischen Marinecodes JN-25 im Jahr 1942. Den wichtigsten Beitrag im Krypto-Kampf gegen Deutschland stellten die schnellen Desch-Bomben dar, die Funksprüche von U-Booten entschlüsselten.

Kryptologinnen des Signal Intelligence Service bei der Arbeit

Die Leistungen der US-Kryptologen im Zweiten Weltkrieg sind durchaus bekannt, etwa durch Bücher wie „The Codebreakers“ von David Kahn oder „The Broken Seal“ von Ladislas Farago. Beide kamen 1967 heraus. Sie verschwiegen aber weitgehend die Taten der Kryptologinnen. Kahn und Farago erwähnten nur Elizebeth Friedman, die Ehefrau des amerikanischen Chefentschlüsslers William Friedman, und Agnes Meyer Driscoll, die schon in den 1920er-Jahren japanische Codes knackte. In Ladislas Faragos Buch erschien sie als Miss Aggie, David Kahn nannte sie Agnes Meyer.

Vor einigen Jahren änderte sich aber die Situation. Die NSA verriet Geheimnisse aus ihrer Vorzeit, und noch lebende Kryptologinnen – einst galt für sie eine strenge Schweigepflicht – erzählten aus ihrem Leben. 2017 verfasste die amerikanische Autorin Liza Mundy das Buch Code Girls, das man nach Anmeldung im Internet Archive lesen kann. Wir wissen nun, dass 11.000 junge Frauen im Krieg beim Dechiffrieren halfen; 7.000 arbeiteten für die Armee und 4.000 für die Marine.

Das HNF zeigt eine japanische Version der deutschen Enigma als Leihgabe der NSA.

An die Seite von Elizebeth Friedman und Agnes Driscoll traten Krypto-Heldinnen wie Virginia Aderholdt, Ann Caracristi und Genevieve Grotjan. Letztere hatte 1940 die entscheidende Idee zur Überwindung von Purple, Virginia Aderholdt dechiffrierte und übersetzte 1945 die japanische Kapitulation, Ann Caracristi brachte es zur Vize-Direktorin der NSA. Die meisten Frauen dürften sich aber mit langwierigen Berechnungen, tausendfach wiederholten Tests und mühevoller Arbeit an lauten Lochkarten-Maschinen beschäftigt haben.

Zum Schluss kehren wir noch einmal zu unserer Briefmarke zurück. Sie hinterlässt eine offene Frage, nämlich nach der Bedeutung der Hintergrundzeilen. Laut US-Post handelt es sich um eine Purple-Chiffre, doch waren deren Buchstaben eigentlich in Fünfergruppen angeordnet. Das mit etwas Fantasie erkennbare Hintergrundbild der Marke basiert auf einem Poster, mit dem die US-Marine im Zweiten Weltkrieg junge Frauen zur Mitarbeit gewann. Einen Ausschnitt daraus haben wir oben ins Eingangsbild gesetzt.

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