Computerszene 1996

Geschrieben am 24.10.2021 von

Am 24. Oktober 1996 – das war ein Donnerstag – eröffnete Bundeskanzler Helmut Kohl das Heinz Nixdorf MuseumsForum. Zum Silberjubiläum wollen wir fragen, wie die Computerwelt damals aussah. Welche Hardware bewegte die Nerds? Welche Software kam heraus? Was passierte in der Technikpolitik und in der IT-Branche? Was geschah in der Künstlichen Intelligenz und im Internet?

Endzeit-Angst prangte auf dem Cover des SPIEGEL Nr. 1/1996. Im Heft fanden sich aber positive Meldungen, etwa im Wirtschaftsteil: „Junge Garagenfirmen werden wie zu Beginn des PC-Zeitalters über Nacht bekannt – und ihre Gründer reich. Das Silicon Valley erlebt einen neuen Boom.“ Was war der Grund? „Die Finanzjongleure der Wall Street sind scharf aufs Internet. Junge Softwarefirmen, die den Einstieg ins Netz erleichtern, boomen.“ Gemeint war Netscape. In Nr. 11/1996 folgte ein langer Artikel zum Klick in die Zukunft.

1996 war das Jahr, in dem Deutschland das Web entdeckte. Im Blog stellten wir schon die Eurocats vor. Am 1. März 1996 besangen sie das multimediale Surfen. Zwei Wochen später eröffnete Bildungs- und Forschungsminister Jürgen Rüttgers die CeBIT in Hannover. Dort konnte man Computer sehen, die keine Festplatten enthielten und ihre Daten ins Internet auslagerten; hinter dem Konzept standen IBM, Oracle, Sun und andere Firmen. Bei einer Übertragungsrate von 28,8 Kilobit pro Sekunde über den Akustikkoppler hatte das Projekt aber keine Zukunft.

Bundesminister Rüttgers sprach ebenso die Iniative Schulen ans Netz an; sie sollte alle allgemein- und berufsbildenden Schulen im Lande mit einem Internet-Anschluss versehen. Das Ziel wurde 2001 tatsächlich erreicht. Wer weder zur Schule ging, noch einen Computer hatte, besuchte meist ein Internetcafé. 1996 zählte die Zeitung ComputerBILD 41 von ihnen – die Liste mag unvollständig gewesen sein. Gelegenheit zum Surfen gab es jedenfalls im 2. Obergeschoss des am 24. Oktober 1996 eingeweihten Heinz Nixdorf MuseumsForums.

Auch der Linux-Pinguin Tux ist Jahrgang 1996. (Foto Fábio Telles CC BY-NC 2.0)

Damals existierten schon einige Suchmaschinen; 1996 starteten HotBot in den USA und Flipper in Berlin. Sie wurde dann in Fireball umbenannt. Noch wenig Beachtung fand das Projekt BackRub an der Stanford-Universität. Es wurde etwas bekannter, als es 1997 den Namen Google annahm. Am 12. Mai 1996 begann der Informatiker Brewster Kahle in San Francisco, Internet-Adressen zu sammeln und in einer Datenbank abzuspeichern. Daraus entstand 2001 das öffentlich zugängliche und allseits geschätzte Internet Archive.

Computernutzer surften nicht nur, sie spielten auch. Das Jahr 1996 brachte uns das erste Abenteuer von Lara Croft, die zweite Folge der Siedler sowie die Monster der Pokémon-Familie. Am 23. Juni kam in Japan die Spielkonsole Nintendo 64 heraus, die erste in 64-Bit-Technik und eine der letzten mit Steckmodulen. Schon am 21. März 1996 lief in deutschen Kinos die Toy Story an; sie bezauberte Jung und Alt. Die Uraufführung hatte im November 1995 in Los Angeles stattgefunden. Die Spielzeuggeschichte stammte aus den Pixar-Studios und wurde von Anfang bis Ende mit Computern generiert.

Das Schachspiel ist seit langem Gradmesser für Künstliche Intelligenz; im HNF steht der lebensgroße Nachbau der ersten scheinbar denkenden Maschine, Wolfgang von Kempelens Schachtürken. Am 10. Februar 1996 schlug der IBM-Spezialrechner Deep Blue in einem regulären Spiel den Schachweltmeister Garri Kasparow; ein Jahr später besiegte er ihn in einem Turnier. Im Dezember 1996 stellte die japanische Firma Honda den humanoiden Roboter P2 vor; im gleichen Monat startete die NASA die Mars-Pathfinder-Sonde. Sie setzte 1997 den sechsrädrigen Roboter Sojourner („Besucher“) auf dem Roten Planeten ab.

Surfen, surfen durch die Welt mit Multimedia! Smartphone Nokia 9000 Communicator.

Katastrophal endete dagegen am 4. Juni 1996 der Jungfernflug der europäischen Ariane-5-Rakete; Grund war ein Software-Fehler im Bordrechner. Konkurs meldete am 3. Juli die deutsche Computer-Handelskette Escom an; sie hatte vorher die Restbestände der Firma Commodore übernommen. Der Amiga-Bereich blieb erhalten, am 30. Juli 1996 verschwand aber Erzfeind Atari durch eine Fusion. Schon im Februar kaufte die Silicon Graphics Inc. den Supercomputer-Hersteller Cray Research. Firmengründer Seymour Cray starb am 5. Oktober 1996 an den Folgen eines Autounfalls.

Was gab es 1996 Neues in der Hardware? Etwa den Palm Pilot, ein elektronisches Notizbuch, auch persönlicher digitaler Assistent oder kurz PDA genannt. Zu seinem Erfolg trug die funktionierende Handschriften-Erkennung bei; daran scheiterte 1993 der Newton von Apple. Ein Erfolgsprodukt wurde ebenso der 1996 eingeführte grafische Taschenrechner TI-83 von Texas Instruments. In die Zukunft wies der Nokia Communicator 6000. Er war das erste echte Smartphone, doch dauerte es eine Weile, bis sich der Gerätetyp am Markt durchsetzte.

Damit endet unsere Zeitreise. Weitere Informationen zum HNF-Geburtsjahr 1996 bringen die Startausgabe der ComputerBILD – Achtung, sie umfasst 118 Megabyte – und die allererste Internetseite des Deutschen Bundestags. Impressionen von der CeBIT liefert ein Video aus Holland; außerdem verweisen wir auf die 24 Stunden im Cyberspace am 8. Februar 1996. Wir bedanken uns für Ihr Interesse am Heinz Nixdorf MuseumsForum und würden uns freuen, wenn Sie dem Geburtstagskind auch die nächsten 25 Jahre die Treue hielten!

Das ist natürlich das Foyer des HNF. Hier startet am 24. Oktober die Jubiläumsausstellung Best of HNF. Auf einem Jahrmarkt erleben die Besucher Highlights der letzten 25 Jahre.

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