Happy Birthday, Xerox PARC
Geschrieben am 30.06.2020 von HNF
Vor fünfzig Jahren, am 1. Juli 1970 wurde es gegründet: das Palo Alto Research Center der Firma Xerox, kurz Xerox PARC. Das Forschungszentrum saß und sitzt im kalifornischen Palo Alto in der Nähe der Stanford-Universität. Nach dem Start entwickelten die Mitarbeiter des PARC eine Fülle neuer Technologien. Sie prägen bis heute die Welt der Computer.
Das PARC gehört zu den Mythen des Silicon Valley wie die Erfinder in der Garage, die Hacker des Homebrew Computer Club oder die legendäre Kneipe Walker’s Wagon Wheel. PARC ist die Abkürzung von Palo Alto Research Center, also des Forschungszentrums Palo Alto; der Ort liegt fünfzig Kilometer südöstlich von San Francisco. Das Zentrum war eine Gründung des Kopiererherstellers Xerox. Am 1. Juli 1970 nahm es seine Arbeit auf.
Den geografischen Namen „Silicon Valley“ gab es damals noch nicht, er kam erst 1971 auf. In Kalifornien gab es aber Elektronikfirmen, Luft- und Raumfahrtunternehmen, Institute für Hochtechnologie und mit der Stanford-Universität die passende Hochschule. Es lag also nahe, dass die Xerox-Leitung nach Westen schaute, als sie in den späten 1960er-Jahren ein Forschungszentrum plante. Xerox besaß schon ein Labor bei seinem Stammsitz Rochester im Osten der USA; es befasste sich vor allem mit Kopiertechnik. Das neue Institut sollte nach dem Büro der Zukunft suchen.
Direktor des PARC wurde der 46-jährige Physiker George Pake. Ihm zur Seite stand der 38 Jahre alte Psychologe und Netzpionier Robert Taylor; er zählte zu den Vätern des ARPANET. Für das neue Forschungszentrum rekrutierte Taylor die besten Informatiker, die in der Region San Francisco noch verfügbar waren. Formell hatte er nur die Position des stellvertretenden Leiters der Computerabteilung inne, faktisch gab er aber ihre Richtung vor. 1978 rückte Robert Taylor an die Spitze der Abteilung auf.
Die erste Adresse des PARC in Palo Alto lautete 3180 Porter Drive. Später zog man an die Coyote Hill Road 3333. Im Dezember 1972 wurden einige PARC-Forscher in der Zeitung Rolling Stone vorgestellt, bitte bis „The Research Park“ scrollen. Wir entdecken dort den Pfeife rauchenden Robert Taylor, den jungen Alan Kay sowie die Sitzsäcke, die bald zum Markenzeichen des Hauses wurden. Nicht im Bild ist sein erster Computer. Der MAXC war ein Nachbau der PDP-10 von Digital Equipment, den die PARC-Forscher eigenhändig erstellten.
Das Do-it-yourself-Prinzip finden wir auch beim bekanntesten Rechner des PARC, dem Alto. Entwickelt von Charles Thacker und gefertigt von Xerox, war er ab März 1973 verfügbar. Der Alto zählte zu den Minicomputern und besaß noch keinen Mikroprozessor, er hatte aber schon eine grafische Benutzeroberfläche und eine Maus. Er wurde ständig verbessert und mit dem ebenfalls im PARC erfundenen Ethernet vernetzt. Charles Simonyi und Larry Tesler programmierten für den Alto Systeme zur Textverarbeitung.
Die wichtigste Software des PARC war aber die Smalltalk-Familie. Nach der Freigabe 1980 beeinflusste sie viele andere Programmiersprachen; dem Haupterfinder Alan Kay bescherte sie den Turing-Preis. Im Smalltalk-Team wirkten auch zwei Frauen mit, Diana Merry und Adele Goldberg. Das wirtschaftlich erfolgreichste Produkt des PARC dürfte der Laserdrucker gewesen sein. Sein Schöpfer Gary Starkweather hatte ihn bereits im Xerox-Labor nahe Rochester erforscht, zum Laufen brachte er ihn erst in Palo Alto.
In den 1970er-Jahren zeigte das PARC die Zukunft des Computers. Leider versäumte es die Xerox-Spitze, seine Resultate umzusetzen. Vom Alto wurden rund 2.000 Stück gebaut; sie blieben in der Firma oder gelangten an Universitäten und Regierungsstellen. 1981 kam die auf PARC-Entwicklungen basierende Workstation Xerox Star auf den Markt; sie war ein Misserfolg. Vom tragbaren NoteTaker, eine Erfindung von Adele Goldberg, entstanden nur wenige Exemplare. Ein Bestseller wurde der durch ihn inspirierte „Schlepptop“ Osborne.
In die Computergeschichte ging der PARC-Besuch von Steve Jobs im Jahr 1979 ein. Er soll dabei die grafische Benutzeroberfläche und die Mausbedienung entdeckt haben. Diese Merkmale wies dann 1983 die Lisa von Apple und 1984 der Macintosh auf. Unter Experten waren sie aber schon vor 1979 bekannt – das PARC hielt wenig geheim. Davon profitierte auch der junge Andreas von Bechtolsheim. Als Student in Stanford konnte er sich im PARC umschauen und viele Ideen für seine 1982 gestartete Firma Sun Microsystems gewinnen.
Das PARC wirkte auch durch die Menschen, die dort arbeiteten und nach einiger Zeit das Weite suchten. Charles Simonyi wechselte zu Microsoft, Larry Tesler zu Apple und Alan Kay zu Atari. Zwei andere Wissenschaftler, Charles Geschke und John Warnock, machten sich 1982 selbstständig; ihre Firma Adobe wurde ein Milliarden-Unternehmen. Robert Taylor und mehrere seiner Mitarbeiter trennten sich 1983 vom PARC. Sie fanden eine neue Bleibe in einem Forschungslabor des Computerherstellers Digital Equipment.
Seit 2002 ist das PARC eine Tochterfirma von Xerox. Online verfügbar sind viele Papiere aus der goldenen Ära des Forschungszentrums, zwei Organigramme von 1975 und 1976 und eine lange Veteranenliste. Hier geht es zu einem informativen Zeitschriftenartikel zur Frühzeit des PARC – Achtung, dicke Datei! Unser Eingangsbild zeigt den Alto des HNF, und dieser Link führt zu seiner Präsentation durch HNF-Geschäftsführer Dr. Jochen Viehoff im April. Dem Palo Alto Research Center wünschen wir aber alles Gute zum 50. Geburtstag.